Navigation überspringen Sitemap anzeigen

Aktuelles alle Informationen auf einen Blick

Risiko Rahmenvertrag?

Warum der Abschluss eines Rahmenvertrags ein Kriterium für Scheinselbständigkeit sein kann.

Was ist Sinn und Zweck eines Rahmenvertrags!

Rahmenverträge stellen häufig die Grundlage für die Beauftragung Selbständiger dar und sind insbesondere im Bereich der IT- und Unternehmensberatung weit verbreitet. Sinn und Zweck eines Rahmenvertrags ist es, die Grundlagen einer (möglichen) konkreten Beauftragung wie beispielsweise Haftung, Behandlung von Unterlagen und Zahlungsziele vorab zu vereinbaren.

Meistens werden Rahmen- und Einzelvertrag in Hinblick auf ein konkretes Projekt geschlossen. Es kommt aber auch vor, dass ein Selbständiger mit einem potentiellen Auftraggeber einen Rahmenvertrag schließt, ohne dass bereits ein konkretes Projekt in Sicht ist. Rahmenverträge sind in der Regel unbefristet, so dass viele Selbständige im Laufe ihrer Projekttätigkeiten mehrere Rahmenverträge „in der Schublade“ haben.

Warum soll ein Rahmenvertrag gegen die Selbständigkeit sprechen?

Dies hat vor allem mit der sehr speziellen Sicht der Deutschen Rentenversicherung zu tun, der sich nach meiner Erfahrung in der letzten Zeit allerdings auch Gerichte teilweise anschließen!

Die Deutsche Rentenversicherung treibt seit je her der Wunsch bzw. die offenkundige Absicht, möglichst jeden Selbständigen zu einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten zu machen, um vom Auftraggeber des Selbständigen die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge kassieren zu können.

Neben der tatsächlichen Gestaltung der Tätigkeit kommt es dabei auch auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Selbständigen und seinem Auftraggeber an. In diesem Zusammenhang versucht die Deutsche Rentenversicherung Verträge so zu interpretieren, dass diese eher einem Arbeitsvertrag als einem freien Dienst- oder Werkvertrag entsprechen. Und hier kommt dem Aspekt Rahmenvertrag eine besondere Bedeutung zu.

Wie ist Sicht der Deutschen Rentenversicherung zum Rahmenvertrag?

Für die Deutsche Rentenversicherung drückt der Abschluss eines Rahmenvertrags die Absicht einer dauerhaften bzw. auf längere Zeit beabsichtigten Zusammenarbeit aus, zumal ein Rahmenvertrag meist unbefristet ist.

Mir ist allerdings trotz zahlreicher gegen die Deutsche Rentenversicherung (auch) um diesen Aspekt geführten Verfahren nach wie vor nicht ersichtlich, ob die Deutsche Rentenversicherung die Konstellation „Rahmenvertrag – Einzelvertrag“ nicht versteht oder nicht verstehen will.

Und: Die Deutsche Rentenversicherung setzt sich zudem permanent in Widerspruch zu sich selbst! Einerseits sieht sie für den Bereich Scheinselbständigkeit durch einen Rahmenvertrag eine längerfristige gegen die Selbständigkeit sprechende Zusammenarbeit begründet, andererseits verneint sie für den Bereich Rentenversicherung bei Selbständigen mit mehreren Rahmenverträgen, dass diese Selbständige mehrere Auftraggeber haben, da es ja „nur“ Rahmenverträge seien.

Mit diesen offensichtlichen Widersprüchen geht die Deutsche Rentenversicherung jedoch sehr „großzügig“ um und fokussiert sich auf den jeweiligen zu prüfenden Einzelfall, ihrem offensichtlichen Leitmotiv folgend: „Was nicht passt, wird passend gemacht“.

Kann das „Risiko“ Rahmenvertrag vermieden bzw. vermindert werden?

Diese Frage kann ich eindeutig bejahen! Das Konstrukt „Rahmenvertrag - Einzelvertrag“ sollte unbedingt durch die Konstellation „Angebot oder Bestellung auf Basis von AGB“ ersetzt werden.

Warum sind AGB besser als ein Rahmenvertrag?

Die eindeutig besser Variante einer Beauftragung eines Selbständigen stellen AGB dar! Konkret bedeutet dies, dass entweder der Selbständige mittels eines eigenen Angebots auf Basis eigener AGB tätig wird oder der Auftraggeber mittels einer Bestellung auf Basis seiner AGB die Leistung des Selbständigen beauftragt.

In dieser Konstellation besteht kein Raum mehr für mutmaßliche von der Deutschen Rentenversicherung unterstellte Absichten einer längeren Zusammenarbeit. Das Angebot bzw. die Bestellung basiert zwar auf den jeweiligen AGB, die die Grundlage der Tätigkeit des Selbständigen darstellen, jedoch wird die konkrete Beauftragung stets befristet sein, so dass stets ein zeitlich begrenzter Auftrag vorliegt, in den keine dauerhafte Zusammenarbeit hineininterpretiert werden kann.

Fazit und Empfehlung

Rahmenverträge sollten durch AGB ersetzt und einzelne konkrete Aufträge per Angebot oder Bestellung vereinbart werden. Dabei muss selbstverständlich darauf geachtet werden, die AGB inhaltlich so zu gestalten, dass die Deutsche Rentenversicherung keine Angriffspunkte findet, um die Selbständigkeit in Zweifel ziehen zu können.

Mit diesem Vorgehen wird das Risiko einer Scheinselbständigkeit deutlich verringert.

Das Risiko der Sozialversicherungspflicht für geschäftsführende Gesellschafter mit Minderheitsbeteiligung

Worum geht es?

Geschäftsführende Gesellschafter eines Unternehmens wie beispielsweise einer GmbH sehen sich fast immer als selbständig und damit sozialversicherungsfrei.

Dies ist jedoch in vielen Fällen ein Irrtum, der nicht nur teuer, sondern zu einer existenziellen Gefahr für das gesamte Unternehmen werden kann.

Gefährdet sind in diesem Zusammenhang Unternehmen, mit mindestens 2 Gesellschaftern, bei denen ein Gesellschafter die Mehrheit der Geschäftsanteile hält und Unternehmen mit 3 oder mehr Gesellschaftern, bei denen kein Gesellschafter die Mehrheit der Geschäftsanteile hält, soweit Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst werden.

Wie sieht die Rechtslage aus?

Grundsätzlich hat die Rechtsprechung seit jeher postuliert, dass ein geschäftsführender Gesellschafter nur dann nicht sozialversicherungspflichtig ist, wenn er maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft hat. Dies ist dann der Fall, wenn er die Mehrheit an der Gesellschaft hält, die Beschlussfassung einstimmig erfolgt oder er ein Vetorecht besitzt.

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte in der Vergangenheit jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz erlaubt. Zum einen akzeptierte das BSG sogenannte „Stimmbindungsvereinbarungen“, mit denen sich alle Gesellschafter verpflichten, Beschlüsse nur einstimmig zu fassen.

Weiterhin nahm das BSG auch dann keine Sozialversicherungspflicht an, wenn der betreffende geschäftsführende Gesellschafter Minderheitsgesellschafter, aber aufgrund seiner Person bzw. seines Know-hows und seiner Erfahrung für das Unternehmen unverzichtbar, also quasi „Kopf- und Seele“ des Unternehmens, ist.

Von dieser Rechtsprechung verabschiedete sich das BSG jedoch im Jahre 2012. Seitdem führen weder Stimmbindungsvereinbarungen noch die bis dahin geltende „Kopf- und Seele“-Rechtsprechung zur Sozialversicherungsfreiheit.

Das BSG entschied vielmehr, dass es ausschließlich auf die im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Regelungen zur Beschlussfassung ankäme.

Wo steckt das Risiko?

Das Risiko liegt in den Gesellschaftsverträgen, da diese meist eine schon fast standardmäßige Formulierung beinhalten, die sinngemäß lautet „Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit auf Grundlage der Gesellschaftsanteile gefasst“.

Was bedeutet dies konkret?

Sofern es sich um 2 geschäftsführende Gesellschafter handelt, die jeweils 50% Anteile an der Gesellschaft halten, besteht keine Sozialversicherungspflicht, da jeder Gesellschafter mit seinem 50%-Anteil Beschlüsse verhindern kann.

Besitz aber einer der beiden Gesellschafter mehr 50% Geschäftsanteile, ist der andere als geschäftsführender Gesellschafter sozialversicherungspflichtig!

Und sind mehr als 2 Gesellschafter vorhanden, die alle im gleichen Umfang an der Gesellschaft beteiligt sind, so kann keiner der Gesellschafter mit seinem Minderheitsanteil Beschlüsse verhindern. Und damit sind alle(!) geschäftsführenden Gesellschafter sozialversicherungspflichtig.

Was sind die Folgen?

Wird eine der oben beschriebenen kritischen Konstellation vergleichbare Situation bei einer Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung entdeckt, droht dem Unternehmen die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für alle geschäftsführenden Minderheitsgesellschafter für bis zu 4 Jahre rückwirkend zzgl. eventueller Säumniszuschläge von 12% pro Jahr.

Wie hoch ist das Risiko?

Das Risiko, dass eine derartig nachteilige Regelung im Gesellschaftsvertrag durch die Deutsche Rentenversicherung aufgedeckt wird, bestand schon immer, ist aber in den letzten Jahren gestiegen. Zwar beschränkt sich die Prüfung eines Unternehmens in der Regel auf die Zahlungen der Sozialversicherungsbeiträge der angestellten Mitarbeiter, jedoch fragen die Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung vermehrt nach Gesellschaftsverträgen, wenn Sie erkennen, dass es mehr als einen Gesellschafter gibt. Dies hat seine Ursache nicht zuletzt in der Entscheidung des BSG vom 19.09.2019, nach der die Deutsche Rentenversicherung zwar selbst den Gegenstand einer Betriebsprüfung bestimmt, diese aber zwingend die gesellschafts- und damit sozialversicherungsrechtliche Stellung im Unternehmen tätiger Ehe- und Lebenspartner, Kinder eines Gesellschafters sowie geschäftsführender Gesellschafter zu untersuchen hat.

Was können Unternehmen tun, um das Risiko zu vermeiden?

Da rückwirkende Lösungen aufgrund der dargestellten Rechtsprechung ausgeschlossen sind, bleibt nur die Hoffnung auf den Eintritt der Verjährung für vergangene Jahre und der Blick nach vorn.

Somit sollte der Gesellschaftsvertrag schnellstmöglich - wie dargestellt - geändert werden. Dabei müssen sich die Gesellschafter jedoch darüber im Klaren sein, dass damit jegliche Beschlüsse einstimmig erfolgen müssen bzw. ein einzelner Gesellschafter jeden Beschluss verhindern kann.

Zwar gäbe es noch die Alternative, die Gesellschaft in eine AG umzuwandeln, da Vorstände einer AG nach den gesetzlichen Regelungen nicht sozialversicherungspflichtig sind; dies dürfte aber für die meisten Unternehmen einen zu hohen und meist auch unvertretbaren Aufwand darstellen.

Was ist das Fazit?

Für die Vergangenheit bleibt nur die Hoffnung auf den Eintritt der Verjährung. Für die Zukunft besteht für geschäftsführende Minderheitsgesellschafter die einzige Chance der Sozialversicherungspflicht zu entgehen in einer Regelung zur Einstimmigkeit der Beschlussfassung bzw. eines Vetorechts im Gesellschaftsvertrag. Dieser sollte daher möglichst umgehend entsprechend geändert werden.

© Dr. Grunewald |www.dr-grunewald.de

Und es geht doch: Selbständigkeit und agile Softwareentwicklung.

Mehr Chancen? Mehr Risiken? Mehr Ärger?

Von Rechtsanwalt Dr. Benno Grunewald, Bremen

Vorwort

Ich vertrete seit jeher die Auffassung, dass die Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens in der Regel unterlassen werden sollte! In meiner nunmehr über 20jährigen Erfahrung in diesem Bereich kann ich mich an keinen Mandanten erinnern, der sich nicht gewünscht hätte, das von ihm initiierte Statusfeststellungsverfahren am liebsten nie begonnen zu haben.

Denn meine Erfahrungen belegen fast jeden Tag aufs Neue, dass die Deutsche Rentenversicherung bei der Prüfung von Auftragsverhältnissen mit Selbständigen nur ein einziges Ziel verfolgt: Neue Beitragszahler zu generieren, um die Rentenkasse zu füllen. Von einer objektiven Prüfung und einer Gesamtabwägung der gegen und für die Selbständigkeit sprechenden Kriterien kann in der Regel nicht die Rede sein.

Und sollten der Deutschen Rentenversicherung konkrete Argumente fehlen, verfährt sie gerne nach dem Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“.

Nun gelten für das Statusfeststellungsverfahren seit dem 01.04.2022 neue bzw. ergänzende Regelungen und die sind – leider – trotz des Datums kein Aprilscherz.

Neue Regelungen auf den Schleichweg

Der formale Vorgang der Änderungen des Statusfeststellungsverfahrens erfolgte durch den Gesetzgeber eher „undercover“. Die neuen Regelungen finden sich in Artikel 2 c des „Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetze“ vom 16.07.2021.

„Honni soit qui mal y pense“ (Ein Schelm, wer Böses dabei denkt)!

Was anders wird

Die Änderungen bzw. Ergänzungen betreffen folgende Aspekte:

  • Mögliche Einbeziehung des Endkunden in das Feststellungsverfahren
  • Keine Prüfung und Feststellung der Sozialversicherungspflicht, sondern des Erwerbsstatus
  • Möglichkeit einer mündlichen Anhörung im Widerspruchsverfahren
  • Statusfeststellung als Prognoseentscheidung
  • Möglichkeit der Gruppenfeststellung

 Diese neuen Regelungen wurden geschaffen - so die offizielle Begründung des Gesetzgebers ‑, da „das Statusfeststellungsverfahren bisher häufig nicht in Anspruch genommen wurde, weil es als nicht sachgerecht, zu langsam und im Ergebnis als nicht vorhersehbar angesehen wurde“. Die Änderungen und Ergänzungen sollen ‑ so der Gesetzgeber weiter ‑ „die Rechts- und Planungssicherheit für alle Beteiligten früher, einfacher und schneller herstellen“.

Mögliche Einbeziehung des Endkunden in das Feststellungsverfahren

Im Rahmen der Neuregelung des Statusfeststellungsverfahrens wurde u.a. in § 7 a Abs. 2 SBG IV ein neuer Satz eingefügt, der wie folgt lautet:

„Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht.“

Ein Satz mit erheblicher „Sprengkraft“, der das Statusfeststellungsverfahren noch risikoreicher macht!

Bislang galt, dass der Endkunde, der den Selbständigen nicht direkt, sondern über einen Dritten, wie beispielsweise eine Unternehmensberatung oder einen Personaldienstleister beauftragte, keine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen fürchten musste. Die Deutsche Rentenversicherung wandte sich bislang stets ausschließlich an den Auftraggeber des Selbständigen, worunter dessen unmittelbarer Vertragspartner verstanden wird.

Diese „Firewall“ besteht nunmehr nicht mehr!

Und ich gehe mit einer hohen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon aus, das Deutsche Rentenversicherung, die in der neuen Regelung genannten „Anhaltspunkte“ finden oder entsprechend konstruieren wird, um auch den Endkunden miteinzubeziehen!

Denn nunmehr hat die Deutsche Rentenversicherung die Möglichkeit, auch den Endkunden zu Beitragsnachzahlungen heranzuziehen. Dadurch wird der Druck auf die Beteiligten erhöht und zudem ist zu befürchten, dass sich unter diesen Umständen Endkunde und beauftragte Unternehmensberatung häufiger zerstreiten werden.

Außerdem kommt damit die Frage der (unerlaubten) Arbeitnehmerüberlassung auf, die bislang im Zusammenhang mit dem Thema Scheinselbständigkeit in der Regel keine Rolle gespielt hat.

Im Übrigen - auch das ist neu ‑ konnten bislang nur der unmittelbare Auftraggeber des Selbständigen und der Selbständige selbst einen Antrag auf Statusfeststellung stellen; nun ist dies auch dem Endkunden möglich. Somit kann zukünftig ein derartiges Verfahren auch ohne Zutun bzw. auch gegen den Willen des Auftraggebers bzw.- des Selbständigen eingeleitet werden.

Fraglich dürfte sein, wie die Deutsche Rentenversicherung in diesem Zusammenhang mit „Ketten-Aufträgen“ umgeht. In der Praxis kommt es bekanntlich nicht selten vor, dass die Firma F die Unternehmensberatung U nach einem selbständigen Experten E anfragt, die dann ihrerseits den Personaldienstleister P einschaltet. Findet P den gesuchten Experten, wird P sowohl mit U als auch mit E entsprechende vertragliche Vereinbarungen treffen, wobei E letztlich für F tätig wird.

Wird nunmehr P von der Deutschen Rentenversicherung geprüft, müsste diese feststellen, dass E über den Vertrag mit P für U tätig ist bzw. war. Sollte demnach U als Dritter im Sinne der neuen Regelung gelten, wäre den F aus dem Spiel!

Sollte aber F als Dritter betrachtet werden, stellt sich die Frage, welcher Rolle U zukommt und welche sozialversicherungsrechtlichen Folgen damit verbunden sind.

Kommentar

Eine hochproblematische Regelung, die entgegen der Begründung des Gesetzgebers, keine „Klarheit“, sondern ganz im Gegenteil erhebliche Unsicherheiten und neue Risiken, insbesondere für den Endkunden, schafft.

Keine Prüfung und Feststellung der Sozialversicherungspflicht, sondern des Erwerbsstatus

Bislang war die Deutsche Rentenversicherung aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht berechtigt im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens eine abhängige Beschäftigung festzustellen. Vielmehr durfte die Deutsche Rentenversicherung lediglich die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung prüfen und ggf. feststellen.

Nunmehr ist die Deutsche Rentenversicherung durch die neuen Regelungen gesetzlich berechtigt, gerade diesen „Erwerbsstatus“ festzustellen. Dies bedeutet, dass vollkommen unabhängig von der Frage, ob Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung bzw. dem Recht auf Arbeitsförderung besteht, nur der Status „selbständig“ oder „nicht selbständig“ geprüft und ggf. festgestellt wird.

Seitens des Gesetzgebers wird dies damit begründet, dass der Deutschen Rentenversicherung damit Aufwände für die Erhebung der für eine Versicherungspflicht notwendigen Informationen (Höhe der Vergütung, Umfang der Tätigkeit etc.) erspart bleiben und somit das Verfahren „verschlankt“ und damit auch verkürzt wird.

Kommentar

Ich bezweifle sehr stark, dass diese Änderung zu einer Beschleunigung des Verfahrens führt, zumal ich den Aufwand der Ermittlung der nun nicht mehr notwendigen Daten für nicht besonders groß halte. So wie die Deutsche Rentenversicherung nach meiner Erfahrung die Statusfeststellungsverfahren betreibt, wird es auch unter Berücksichtigung der neuen Vorschriften in der Regel zu Widerspruchsverfahren gegen negative Bescheide kommen, die allein schon mal ein Jahr dauern können. Und da sich auch die Widerspruchsausschüsse Gegenargumenten, die für die Selbständigkeit sprechen, meist nicht anschließen mögen, wird dies auch weiterhin ebenso regelmäßig Sozialgerichtsverfahren nach sich ziehen. Und diese dauern erfahrungsgemäß zwischen einem und 3 bis 5 Jahre. Allerdings kann sich dies auch noch länger hinziehen – so läuft beispielsweise momentan in diesem Zusammenhang ein von mir betreutes Verfahren nunmehr über 10 Jahre und ist immer noch nicht abgeschlossen.

Das neue mündliche Anhörungsrecht

Eine ebenfalls neue Regelung ist die Möglichkeit der mündlichen Anhörung im Widerspruchsverfahren. Der Gesetzgeber begründet dies wie folgt: „Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund finden nicht selten deshalb wenig Akzeptanz, weil bei den Betroffenen der Eindruck besteht, dass keine Würdigung der individuellen Gegebenheiten, sondern eine pauschale Beurteilung erfolgte und die Art der Tätigkeit, beispielsweise im Kontext von Projektarbeit oder agilen Arbeitsformen, nicht zutreffend erfasst worden sei“.

Diese Aussage trifft - das muss man dem Gesetzgeber lassen ‑ den Nagel auf den Kopf!

Nach meinen Erfahrungen in diesem Bereich, haben die betroffenen Auftraggeber und Auftragnehmer allerdings nicht nur den „Eindruck“ einer pauschalen Beurteilung seitens der Deutsche Rentenversicherung, sondern ist dies tatsächlich die Realität. Die Schreiben bzw. Bescheide der Deutschen Rentenversicherung strotzen in der Regel nur so von Textbausteinen, die munter zusammengewürfelt und lediglich um einige individuellen Angaben im jeweiligen Einzelfall ergänzt werden.

Dies geht teilweise so weit, dass in den vorgestanzten Texten Namen auftauchen, die mit dem betreffenden Fall überhaupt nichts zu tun haben, also schlicht per „copy und paste“ aus einem anderen Schreiben ungeprüft übernommen worden sind.

Nichtsdestotrotz ist die neue Möglichkeit eine mündlichen Stellungnahme eigentlich grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings stellen sich in diesem Zusammenhang gleich zahlreiche Fragen: Es ergibt sich aus der Regelung nur, dass die mündliche Anhörung auf Antrag der Beteiligten nach Einreichung einer Widerspruchsbegründung erfolgen kann, jedoch nicht wann der Antrag zu stellen ist. Wollen also die Beteiligten „auf Nummer Sicher“ gehen, dass sie ihre Argumente und Sicht der Dinge der Deutschen Rentenversicherung auch mündlich erläutern können, müsste man ihnen anraten, stets einen Antrag auf mündliche Anhörung zu stellen.

Damit erhöht sich der Aufwand sowohl für die Beteiligten als auch für die Deutsche Rentenversicherung erheblich. Nicht nur würde es dann wahrscheinlich in (fast) jedem Statusfeststellungsverfahren einen mündlichen Termin geben, sondern dieser müsste auch - wohl in der Regel von der Deutschen Rentenversicherung ‑ organisiert und durchgeführt werden. Schließlich wäre ein derartiger Termin zu protokollieren, da im Fall der Ablehnung des Widerspruchs diese Anhörung für das dann häufig folgende sozialgerichtliche Verfahren relevant sein dürfte.

Weiterhin ist vollkommen unklar, wer konkret diese Anhörung durchführen soll: Der Bescheid, der Gegenstand des Widerspruchsverfahrens ist, wurde einem Sachbearbeiter der Deutschen Rentenversicherung bzw. deren Clearingstelle erstellt. Über den Widerspruch entscheidet dann einer der 256 Widerspruchsausschüsse der Clearingstelle, der mit 3 Personen (je ein Vertreter der Deutschen Rentenversicherung, der Versicherten und der Arbeitgeber) besetzt ist.

Im Gesetzestext heißt es dazu: Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll.“

Dies könnte bedeuten, dass zum Termin der Endkunde, der Auftraggeber des Selbständigen und der Selbständige selbst sowie die drei Mitglieder des Widerspruchsausschusses und möglicherweise noch ergänzt um den Sachbearbeiter, der den Bescheid erstellt hat, insgesamt also 6 bis 7 Personen hinzuziehen wären. Lassen sich zudem Endkunde, Auftraggeber und Selbständiger jeweils anwaltlich vertreten, käme damit die Runde auf bis zu 10 Personen!

Vollkommen offen ist ferne, wer welche Kosten eines erfolgreichen Anhörungsverfahrens trägt. Wird nämlich der mit dem Widerspruch angefochtene Bescheid aufgehoben, trägt die Deutsche Rentenversicherung die Kosten, was sich bislang auf eine Gebühr für den im ausschließlich schriftlichen Verfahren tätigen Rechtsanwalts beschränkte. Sollte der Rechtsanwalt nunmehr jedoch einen Anhörungstermin bei der Deutschen Rentenversicherung wahrnehmen, entstehen zum einen in der Regel Reisekosten und möglicherweise weitere Gebühren wie beispielsweise eine so genannte Termingebühr wie sie auch bei Gerichtsterminen anfällt. Und da sich alle Beteiligten von einem Rechtsanwalt vertreten lassen können, würde sich diese Kosten entsprechend potenzieren.

Außerdem ist eine mündliche Anhörung erst im Widerspruchsverfahren vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt hat die Deutsche Rentenversicherung ihre die Selbständigkeit ablehnende Haltung in ihrem Bescheid, gegen den sich der Widerspruch dann richtet, bereits festgeschrieben, so dass sich ohnehin die Sinnhaftigkeit einer (nachträglichen) mündlichen Anhörung stellt.

Kommentar

Sofern die Möglichkeit der mündliche Anhörung genutzt wird, hat dies mit großer Wahrscheinlichkeit zur Folge, dass die vom Gesetzgeber angestrebte Beschleunigung des Statusfeststellungsverfahrens wieder zunichte gemacht wird. Unabhängig davon habe ich erhebliche Zweifel, dass sich die Deutsche Rentenversicherung in einer mündlichen Anhörung vom Gegenteil ihrer Auffassung überzeugen lässt. Aufgrund meiner zahlreichen sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung und damit verbundenen mündlichen Verhandlungen würde ich die „Erfolgsquote“ dafür bei (höchstens) 5% bis 15% einschätzen.

Statusfeststellung als Prognoseentscheidung

Diese neue Regelung erlaubt, das Statusfeststellungsverfahren bereits vor Aufnahme der Tätigkeit einleiten zu können. Der Deutschen Rentenversicherung muss, neben den vertraglichen Vereinbarungen, eine exakte Schilderung der geplanten Tätigkeit vorgelegt werden. Kommt es später zu wesentlichen Änderungen, kann die Deutsche Rentenversicherung die ursprünglich positive Entscheidung wieder aufheben.

Kommentar: Meines Erachtens dürfte diese Regelung praktisch wenig genutzt werden. Es besteht ein hohes Risiko, dass eine ehemals positive Entscheidung von der Deutsche Rentenversicherung wieder „kassiert“ wird, wenn der betreffende Auftrag anders als ursprünglich geplant verläuft und sich damit auch die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit des Selbständigen ändern.

Möglichkeit einer der Gruppenfeststellung

Gemeint ist damit, dass die Deutsche Rentenversicherung auf (zusätzlichen) Antrag des Auftraggebers über einen bereits beurteilten Einzelfall hinaus auch zum Erwerbsstatus anderer Auftragnehmer dieses Auftraggebers eine gutachterliche Stellungnahme abgeben kann.

Relativ unglücklich - aber gewollt? ‑ ist in diesem Zusammenhang allerdings , dass der Gesetzeswortlaut und die Gesetzesbegründung deutlich voneinander abweichen. So heißt es im Gesetzestext, dass diese Gruppenfeststellung dann möglich sein soll, „wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche Vereinbarungen zu Grunde liegen“.

In der Begründung zu dieser Regelung schreibt der Gesetzgeber demgegenüber, dass die Verhältnisse zwar übereinstimmend sein müssen, jedoch „Geringfügige Abweichungen, zum Beispiel hinsichtlich der Tätigkeit, der Höhe der Vergütung oder auch der Modalitäten grundsätzlich unschädlich seien und einer Übereinstimmung im Sinne der Vorschrift nicht entgegenstehen.“

Da zudem eine Gruppenfeststellung keine bindende Wirkung hat, ist damit auch keine erhöhte Rechtssicherheit verbunden, so dass sich der Sinn dieser Regelung letztlich nicht wirklich erschließt.

Kommentar

Auch die neue Möglichkeit einer Gruppenfeststellung wird praktisch wenig Relevanz haben. Sie käme bestenfalls bei einer positiven Entscheidung für einen Auftragnehmer im Einzelfall in Betracht, mit der Hoffnung, dass die Deutsche Rentenversicherung auch die anderen Auftragnehmer positiv, also als selbständig einstuft. Da dies aber nach meinen Erfahrungen erstens die Ausnahme darstellt und zweitens der Gruppenfeststellung keine rechtlichen Bedeutung zukommt, ist sie meines Erachtens wenig empfehlenswert und nutzbringend.

Fazit

Die neuen Regelungen machen das Statusfeststellungsverfahren sicherlich nicht attraktiver. Ob die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verschlankung und Beschleunigung erreicht wird, bleibt abzuwarten, erscheint aber zweifelhaft.

Wenig zweifelhaft ist allerdings, dass das neue Statusfeststellungsverfahren neue Risiken mit sich bringt. Zu der vom Gesetzgeber postulierten Klarheit und Rechtssicherheit werden die neuen Regelungen mit ziemlicher Sicherheit nicht führen. Es ist zudem nicht erkennbar bzw. zu erwarten, dass die Deutsche Rentenversicherung aufgrund der neuen Regelungen ihre Praxis ändern und zukünftig eine wirkliche Abwägung der Kriterien pro und contra Selbständigkeit durchführen wird.

Ausblick

In diesem Zusammenhang bleibt auch abzuwarten, ob die Deutsche Rentenversicherung versuchen wird, die neuen Möglichkeiten des Statusfeststellungsverfahrens auf Betriebsprüfungen zu übertragen.

Nach heutigem Stand sind diese Neuerungen ausschließlich im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens anwendbar. Und sofern es keinen Antrag auf Durchführung des Verfahrens gibt, sollten sie daher auch nicht zur Anwendung kommen dürfen.

Empfehlungen

Einerseits bestärken mich die neuen Regelungen in meiner anfangs bereits erwähnten Ablehnung des Statusfeststellungsverfahrens: Lassen Sie die Finger davon!

Andererseits ist mir klar, dass sich alle Beteiligten - Endkunde, Auftraggeber und Selbständiger ‑ Rechtssicherheit wünschen und auch ein Anrecht darauf haben. Ehrlicherweise muss man sich jedoch eingestehen, dass es eine absolute Rechtssicherheit in diesem Zusammenhang nicht gibt. Und diese ist auch mit einem Statusfeststellungsverfahren unter den neuen Bedingungen nicht erreichbar, zumal ein Statusfeststellungsverfahren sich ohnehin nur auf das jeweilige Auftragsverhältnis bezieht, also für jeden neuen Auftrag erneut beantragt werden müsste.

Was also tun?

Nach meiner langjährigen Erfahrung kann das Risiko Scheinselbständigkeit erheblich reduziert bzw. minimiert werden. Daher empfehle ich die Beauftragung von Selbständigen nicht – wie allgemein üblich ‑ über Verträge, sondern über  Bestellung/Angebot und AGB zu realisieren, wobei die AGB selbstredend keine Inhalte haben dürfen, die der Deutsche Rentenversicherung Argumente gegen die Selbständigkeit liefert. Weiterhin sind unbedingt die konkreten Umstände der Ausführung der Leistung zu beachten. Hier sollten bereits vor Beginn der Tätigkeit alle(!) Beteiligten entsprechend umfassend und individuell punktgenau beraten und auf mögliche kritische Aspekte hingewiesen werden. Hierzu habe ich u.a. ein Scoring-Modell entwickelt, womit schnell und anschaulich die wesentlichen für eine Prüfung relevanten Merkmale selbst bewertet werden können. Vorteil eines solchen Vorgehens ist vor allem, dass erkannte kritische Aspekte rechtzeitig entschärft werden können.

Diese Maßnahmen erhöhen die Sicherheit aller Beteiligten erheblich und stellen zudem eine solide und belastbare Grundlage für eine mögliche Auseinandersetzung mit der Deutschen Rentenversicherung dar.

© 05.04.2022| Dr. Grunewald| www.dr-grunewald.de

Die verdeckte Gefahr: Rentenversicherungspflicht für selbständige IT-Freelancer

Vortrag auf den IT-Tagen 2019 in Frankfurt am Main

Immer wieder werden Scheinselbständigkeit und Rentenversicherungspflicht miteinander verknüpft oder verwechselt. Jedoch haben beide Bereiche nichts miteinander zu tun! Sowohl die rechtlichen Grundlagen als auch die Folgen sind grundverschieden: Das Risiko Scheinselbständigkeit betrifft ausschließlich den Auftraggeber des Freelancers; das Risiko Rentenversicherungspflicht betrifft ausschließlich den Freelancer selbst.

Dies führt in der Praxis häufig dazu, dass das Risiko Rentenversicherungspflicht nicht rechtzeitig erkannt wird, obwohl es hier Lösungen für einen 100% Schutz des Freelancers gibt!

Der Vortrag findet sich unter "Informationen/Seminare und Vorträge"

Als Pflegekraft selbständig tätig sein: Mission impossible ?

Zur aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts

von Rechtsanwalt Dr. Benno Grunewald

A. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte in mehrere Entscheidungen vom 07.06.2019 über den sozialversicherungsrechtlichen Status selbständiger Pflegekräfte zu entscheiden. In allen Urteilen ist das BSG dabei zum Ergebnis gelangt, dass es sich jeweils um sozialversicherungspflichtige Beschäftigte und nicht um Selbständige handelt.

Das BSG hat seine Entscheidung mit dem Aktenzeichen B 12 R 6/18 R (https://www.bsg.bund.de) als Leitfall deklariert, da in dieser seine grundlegenden Überlegungen und Erkenntnisse enthalten sind.

Daher wird diese Entscheidung im Folgenden dargestellt und bewertet.

B.
Gegenstand der Entscheidung ist ein Rechtsstreit zwischen einer Pflegeeinrichtung und der Deutschen Rentenversicherung Bund. Diese hatte aufgrund eines Statusfeststellungsverfahrens, welches die selbständige Pflegekraft selbst beantragt hatte, festgestellt, dass keine Selbständigkeit, sondern eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt.

Die selbständige Pflegekraft – ein staatlich anerkannter Altenpfleger und Fachkraft für Leitungsaufgaben in der Pflege - war über einer Vermittlungsagentur für die Einrichtung tätig. Nach dem Vertrag der Agentur vermittelte diese die selbständige Pflegekraft "in ein befristetes Arbeitsverhältnis", wobei die „selbstständige Pflegekraft für alle Sozialversicherungsabgaben verantwortlich" sei. Der zwischen der Agentur und der selbständigen Pflegekraft geschlossene Vereinbarung hatte den Titel "Dienstleistungsvertrag" und war für die Zeit vom 06.11.2012 bis 14.11.2012 und vom 21.11.2012 bis zum 28.11.2012 datiert.

Der Vertrag enthielt die Verpflichtung der selbständigen Pflegekraft, die vereinbarten Aufträge in eigener Verantwortung auszuüben und die Interessen der Einrichtung zu berücksichtigen. Ferner waren ein fester Stundenlohn von 29,00 EUR, am Wochenende 32,20 EUR, feiertags 35,00 EUR sowie eine Nachtzulage ab 20:00 Uhr von 3,20 EUR bei einer Arbeitszeit von täglich mindestens zehn Stunden bei möglicher Mehrarbeit vereinbart.

Die Einrichtung hatte freie Unterkunft und Verpflegung zu gewähren und sich nach Absprache um Arbeitskleidung zu kümmern. Für den Fall, dass der Vertrag keine anderen Bestimmungen enthält, wurde die Geltung der gesetzlichen Bestimmungen und der allgemeinen Grundsätze des Arbeitsrechts vereinbart. Für die Folgezeiträume wurden keine schriftlichen Vereinbarungen unterzeichnet, die Vertragsparteien waren sich aber einig, dass die vorgenannten Regelungen gelten sollten.

C.
Das zunächst mit dem Fall befasste Sozialgericht Konstanz gab der Klage der Einrichtung statt und stellte die Selbständigkeit der Pflegekraft fest. Das von der Deutschen Rentenversicherung Bund angerufene Landessozialgericht Baden-Württemberg gab der Berufung statt und stellte die Sozialversicherungspflicht fest. Auf die Revision gegen diese Entscheidung bestätigt nunmehr das BSG die Auffassung des Landessozialgerichts und stellt ebenfalls ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis fest.

D.
Vorab macht das BSG deutlich, dass es in seiner Entscheidung ausschließlich „die Tätigkeit als sogenannte Honorarpflegefachkraft in einer stationären Pflegeeinrichtung“ beurteilt. Das BSG habe „andere Ausprägungen der Tätigkeit als Honorarpflegefachkraft, etwa im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung als Intensiv- oder Anästhesiepfleger oder im Rahmen ambulanter Pflege“ nicht zu entscheiden.

Kommentar:
Damit macht das BSG deutlich, dass es letztlich eine Einzelfallentscheidung trifft, die auf allgemeine Pflegetätigkeiten in stationären Einrichtungen beschränkt ist, wenngleich dies auch sehr viele selbständige Pflegekräfte betrifft.

C.
Weiterhin stellt das BSG eindeutig fest, dass keine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Zwar läge eine Dreieckskonstellation zwischen Agentur, selbständiger Pflegekraft und Einrichtung vor – jedoch schulde die Agentur erkennbar keine Zurverfügungstellung eines eigenen Arbeitnehmers. Zudem seien die Hauptleistungspflichten zwischen der selbständigen Pflegekraft und der Einrichtung direkt vereinbart worden.

Kommentar:
Somit besteht das oftmals dargestellte Risiko einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung in der hier vorliegenden und in der Praxis wohl am häufigsten anzutreffenden Konstellation nicht. Eventuelle Bedenken einzelner Agenturen können damit weitgehend ausgeräumt werden.

D.
Das BSG stellt in seiner Entscheidung ferner fest: „Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen“.

Kommentar:
Auch wenn das Ergebnis der Entscheidung letztlich negativ ausfällt, macht diese Aussage des BSG nochmals mehr als deutlich, dass den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen eine elementare Bedeutung zukommt. Daher sollten diese nicht nur schriftlich, sondern auch inhaltlich eindeutig und klar gefasst werden und dabei insbesondere den Willen der selbständigen Zusammenarbeit herausstellen. In diesem Zusammenhang rate ich aus langjähriger Erfahrung dazu, keine Verträge im klassischen Sinn zu schließen, sondern die Zusammenarbeit auf die Basis von AGB und Angebote bzw. Bestellung zu stellen.

E.
Dann geht das BSG auf die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit der selbständigen Pflegekraft ein. Demnach war es so, dass dieser in seinen Einsätzen in der Regel täglich zehn Stunden von 06:15 Uhr bis 17:15 Uhr oder von 10:45 Uhr bis 21:45 Uhr arbeitete und sich erbrachten Stunden von einer Bevollmächtigten der Einrichtung abzeichnen ließ. Und weiter heißt es im Urteil: „Er wohnte in einem Apartment der Einrichtung und wurde vor Ort durch die Einrichtungsküche verpflegt. Bei Arbeitsbeginn im Frühdienst konnte er sich einen von zwei Wohnbereichen bzw. die zu pflegenden Bewohner aussuchen. Wünsche der Bewohner, wie etwa nicht durch eine männliche Pflegekraft gepflegt zu werden, fanden Berücksichtigung. Bei einem späteren Beginn übernahm er die Pflege der noch unversorgten Personen nach aktuellem Bedarf. Sofern eine andere Fachkraft anwesend war, sprach er sich mit dieser über die Arbeiten ab.

Die Arbeits- und Verbrauchsmittel waren vorhanden, eigene Mittel setzte er nicht ein. Er trug seine eigene Arbeitskleidung und ein Namensschild, das ihn als selbstständige Pflegekraft auswies, und stellte sich den Bewohnern auch so vor. Seine Verrichtungen und bestimmte Vorgänge dokumentierte er in der von der Einrichtung geführten Pflegedokumentation. Bei Bedarf konnte er um Unterstützung anderer Mitarbeiter bitten. Reinigungsarbeiten führte er nicht durch, diese übernahmen Hilfskräfte oder Fremddienstleister. Sofern seine Arbeitszeit zu den regulären Dienstübergaben begann, nahm er an diesen teil, anderenfalls wurden die Informationen von und an die anwesende Pflegefachkraft weitergegeben. Bei Abwesenheitszeiten wurden die Bewohner durch eine andere diensthabende Pflegefachkraft versorgt.“

Das BSG stellte weiterhin fest: „Die festangestellten Mitarbeiter trugen einheitliche, von der Einrichtung gestellte Dienstkleidung mit einem Logo der Unternehmensgruppe. Im streitigen Zeitraum betrugen die von der Einrichtung gezahlten Stundenlöhne für eine angestellte examinierte Fachkraft zwischen 12,69 EUR und 14,06 EUR im Jahr 2012 bzw. 13,27 EUR und 15,58 EUR im Jahr 2013 zuzüglich Zuschlägen für Nachtdienste (2,-- EUR), Sonntagsarbeit (3,-- EUR) und Feiertage (4,-- EUR).

Die Einrichtung führte einen Dienstplan mit Schichtzeiten, der auch eine Auswahl von Einsatzzeiten vorsah, die nur für Honorarkräfte vorgesehen waren und den von diesen Kräften häufig gewünschten Einsatz von mindestens zehn Stunden ermöglichten. Für jeden einzelnen Bewohner erstellte die Einrichtung durch ihre angestellten Fachkräfte einen individuellen Plan über Pflege- und Behandlungsleistungen und führte eine von der jeweiligen Pflegefachkraft auszufüllende Dokumentation. Zur Überwachung war eine verantwortliche Pflegefachkraft eingesetzt, die die Pflegequalität durch Visiten, Qualitätschecks, Rundgänge und Einblick in die Dokumentation sicherstellte.“

Außerdem hatte die selbständige Pflegekraft zu Beginn der selbständigen Tätigkeit einen Kredit in Höhe von 5.000,00 EUR aufgenommen und war freiwillig gesetzlich krankenversichert; weiterhin bestand eine Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung. Bezüglich der selbständigen Tätigkeit hatte die selbständige Pflegekraft eigene Arbeitskleidung (ca. 200,00 EUR) sowie einen Computer (ca. 600,00 EUR) angeschafft. Steuerlich wurden Kfz-, Reise- und Telefonkosten geltend gemacht.

Kommentar: Diese Angaben dürften grundsätzlich auf viele selbständige Pflegekräfte zutreffen. Bemerkenswert ist, dass das BSG damit auch viele für die Selbständigkeit sprechenden Aspekte benennt wie beispielsweise Auswahl der zu Versorgenden, eigenes Namensschild, deutlich höheres Honorar als feste Mitarbeiter sowie eigene Aufwendungen, letztlich aber - wie ich noch darstellen werde - darauf nur punktuell eingeht und als irrelevant einstuft.

F.
In seiner Urteilsbegründung weist das BSG zunächst auf die Widersprüche in den Verträgen zwischen der Agentur und der Einrichtung bzw. der selbständigen Pflegekraft hin. Wie bereits oben unter B. erwähnt, hatte die Agentur darin verschiedene sich widersprechende Begriffe wie „Arbeitsverhältnis“, „freier Mitarbeiter“, „Dienstvertrag“ und „Arbeitsrecht“ verwendet.

Letztlich misst das BSG dem aber keine besondere Bedeutung zu, da nach Auffassung des BSG in diesem Fall „Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung bestehen“, so dass „die gelebte Praxis der formellen Vereinbarung vorgeht“.

Kommentar:
Auch wenn das BSG diese Widersprüchlichkeiten der Verträge nicht weiter berücksichtigt, so sind sie dennoch extrem schädlich. Da bereits bei der Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund regelmäßig auch die Verträge geprüft werden, führen derartige wie die hier verwendeten Begriffe aufs falsche Gleis, zumal sich die Deutsche Rentenversicherung Bund erfahrungsgemäß an bestimmten Begriffen gerne regelrecht „festbeißt“. Daher ist die richtige und zutreffende Wortwahl in Vereinbarungen/Verträgen - besser AGB und Bestellung/Angebot - kardinal wichtig.

G.
Das BSG weist dann darauf hin, dass aufgrund der Besonderheiten von stationären Pflegeeinrichtungen „einzelne Gesichtspunkte, die sonst eine Tätigkeit als abhängig oder selbstständig kennzeichnen, von vornherein nicht als ausschlaggebende Abgrenzungsmerkmale herangezogen werden können“.

So arbeiten examinierte Pflegefachkräfte „weitgehend eigenverantwortlich und haben auch die Möglichkeit, in gewissem Umfang flexibel auf Wünsche und Bedürfnisse der zu pflegenden Personen zu reagieren.“ Dies führt aber nicht ohne Weiteres zu einer selbstständigen Tätigkeit.

Andererseits, so das BSG weiter, „kann nicht allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln des Pflegeheimes eine abhängige Beschäftigung angenommen werden.“

Kommentar:
Diese Ansicht des BSG ist sicherlich nicht grundfalsch – in ihr kommt aber zum Ausdruck, dass das BSG die Tätigkeit einer examinierten Pflegefachkraft schon dem Grunde als nach eine bereits sehr selbständige und eigenverantwortliche Tätigkeit betrachtet - also auch wenn diese im Angestelltenverhältnis ausgeübt wird - so dass eben weitere Aspekte hinzukommen müssen, um eine Selbständigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrecht annehmen zu können.

H.
Da die hier zu beurteilende Tätigkeit in einer stationären Pflegeeinrichtungen ausgeübt worden ist, weist das BSG darauf hin, dass derartige Einrichtungen umfangreichen gesetzlichen Regularien unterliegen, die bei der „Gewichtung der Indizien zur Statusbeurteilung zu berücksichtigen sind“.

Hierbei geht es um Aspekte wie Verantwortung der Einrichtung für die Pflege, Steuerung, Anleitung, Koordination und Kontrolle der Pflegeleistungen, pflegerische Gesamtverantwortung, Organisationsgrad zur Qualitätssicherung sowie Vorgaben für Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität.

Vor diesem Hintergrund kommt das BSG dann zum Ergebnis: „Diese regulatorischen Rahmenbedingungen haben im Regelfall die Eingliederung von Pflegefachkräften in die Organisations- und Weisungsstruktur der stationären Pflegeeinrichtung zur Folge. Für eine nur ausnahmsweise in Betracht kommende selbstständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne müssen daher gewichtige Indizien bestehen“.

Kommentar:
Dieser Passus des Urteils stellt einen ganz bedeutsamen Teil der Begründung dar. Das BSG sieht in den vielfältigen gesetzlichen Vorgaben, die Pflegeeinrichtungen zu gewährleisten haben, grundsätzlich die Notwendigkeit von Weisungen an die dort tätigen Pflegekräfte. Folglich könne es in diesem Bereich grundsätzlich keine Selbständigkeit geben.

Ich halte dies für einen klassischen Zirkelschluss: Der Auftraggeber – hier die Einrichtung – hat gesetzliche Vorgaben zu beachten, also muss auch der Auftragnehmer diese Vorgaben beachten und also ist er dem Auftraggeber weisungsunterworfen.

Jedoch:
Die Vorgaben kommen nicht von der Einrichtung, sondern vom Gesetzgeber! Zwar ist zutreffend, dass die Einrichtung diese gesetzlichen Vorgaben beachten muss – nichts anderes gilt aber beispielsweise auch für einen selbständigen Spediteur, der für seinen Auftraggeber Waren transportiert und dabei die Verkehrsregeln und Transportvorschriften zu beachten hat, ohne dass dies als Weisung des Auftraggebers gelten würde.

Festzuhalten bleibt aber, dass das BSG im Bereich der Pflegeeinrichtungen weitere über die grundsätzlich angenommen Selbständigkeit der Pflegekräfte hinausgehende Indizien für eine Selbständigkeit verlangt.

I.
Nach Auffassung des BSG war die Weisungsgebundenheit der selbständigen Pflegekraft bei der Durchführung der jeweiligen Dienste zwar eingeschränkt aber nicht völlig entfallen. Das BSG führt dazu aus: „Der konkrete Inhalt, die Durchführung und die Dauer der von der Pflegefachkraft geschuldeten fachgerechten Pflege bedurften der näheren Konkretisierung zumindest insoweit, als er für die Tätigkeit in einem bestimmten Wohnbereich eingeteilt werden und seine Arbeitsleistung im Wesentlichen nach Maßgabe der Pflegeplanung und im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit den anderen Mitarbeitern erbringen musste“.

Kommentar:
Das ist letztlich die ganze Begründung hinsichtlich der Weisungsgebundenheit der selbständigen Pflegekraft! Und das ist meines Erachtens reichlich wenig. Zum einen ist die Weisungsgebundenheit nur eines von vielen Kriterien. Zum anderen muss jedes Kriterium in seiner Ausprägung gewichtet werden. Es wird wohl keinen Auftrag geben, bei welchem der Auftraggeber seinem Auftragnehmer keine Vorgaben inhaltlicher, zeitlicher und organisatorischer Art macht. Selbst wenn derartige Vorgaben, die sich in der Regel aus dem Auftrag ergeben, mit Weisungen gleichgesetzt werden – was ich für außerordentlich fraglich halte – bedeuten nicht alle Vorgaben/Weisungen das Ende der Selbständigkeit des Auftragnehmers. Und auch der Umstand sich mit anderen Mitarbeitern einer Einrichtung abstimmen zu müssen, kann dazu nicht führen. So ist beispielsweise eine permanente Abstimmung der auf einer Großbaustelle tätigen selbständigen Handwerker unabdingbar und führt sicherlich nicht dazu, diese Handwerker als sozialversicherungspflichtig einzustufen.

J.
Das zweite „große“ Argument des BSG ist die vermeintliche Eingliederung der selbständigen Pflegekraft in die Arbeitsabläufe der Einrichtung. Hierzu führt das BSG aus: „Wenn eine Pflegefachkraft eine von der stationären Pflegeeinrichtung geschuldete (Teil-) Leistung innerhalb der von diesem vorgegebenen Organisationsabläufe erbringt, die Betriebsmittel des Pflegeheimes nutzt und arbeitsteilig mit dem übrigen Personal in den vorgegebenen Strukturen zusammenarbeitet, ist sie in der Regel in einer ihre Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in den Betrieb des Pflegeheimes eingegliedert“.

Das BSG hat diese für die selbständige Pflegekraft angenommen, weil der gesamte organisatorische Rahmen vom Erstkontakt über die arbeitsteilige Pflege und Betreuung bis zur Abrechnung der erbrachten Leistungen in der Hand der Einrichtung lag, der Betriebsablauf einem Dienstplan folgte, in den sich die selbständige Pflegekraft einordnete, die Arbeits- und Verbrauchsmittel gestellt wurden und zur Überwachung eine verantwortliche Pflegefachkraft der Einrichtung eingesetzt war, die durch Visiten, Qualitätschecks, Rundgänge und Einblick in die Dokumentation für die Pflegequalität verantwortlich war.

Die selbständige Pflegekraft hatte daher nach Auffassung des BSG „keine ins Gewicht fallende Freiheit hinsichtlich Gestaltung und Umfang der Arbeitsleistung innerhalb des einzelnen Dienstes. Dies gilt auch, soweit er sich die zu pflegenden Personen aussuchen konnte. Sein Auswahlrecht beschränkte sich notwendig auf den Kreis der im Pflegeheim befindlichen Personen. Zusätzlich war es dadurch limitiert, dass er in jedem Fall eine bestimmte Gruppe von Pflegebedürftigen innerhalb des Abrechnungszeitraums zu pflegen hatte. Mit anderen Worten konnte er sich also nicht entscheiden, überhaupt niemanden zu pflegen“.

Für eine selbständige Pflegekraft ist es aber geradezu typisch, dass sie sich vor Annahme eines Auftrags über diese Aspekte informiert und dann entscheidet, ob sie den Auftrag annimmt. Auch gibt eine selbständige Pflegekraft regelmäßig ihre eigenen Tätigkeitszeiten vor, die die Einrichtung zu berücksichtigen hat.

Und das Argument des BSG, die selbständige Pflegekraft habe nicht entscheiden können, niemanden zu pflegen, ist schon reichlich seltsam: Jeder Auftragnehmer verpflichtet sich mit der Annahme eines Auftrags eine bestimmte Leistung zu erbringen. Es ist für mich nicht ersichtlich, warum ein Selbständiger zur Bestätigung seines Status´ die Freiheit haben muss, die Leistung nicht erbringen zu müssen! Dies ist nicht nur extrem praxisfremd, sondern auch rechtlich nicht haltbar.

Kommentar:
Auch die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers ist eines von vielen Kriterien. Und sicherlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine Pflegeeinrichtung gewissen Randbedingungen setzt wie den Ort, die zu versorgenden Personen, die Ausstattung der Räumlichkeiten etc. Da dies aber auch bei anderen Selbständigen wie beispielsweise Handwerken oder Dozenten der Fall ist, kann dies ‑ wenn überhaupt ‑ höchstens ein schwaches Indiz gegen eine Selbständigkeit sein.

K.
Alle anderen für eine Selbständigkeit sprechenden Kriterien sind nach Auffassung des BSG irrelevant und können die Weisungsgebundenheit und Eingliederung der selbständigen Pflegekraft nicht aufwiegen.

Zum einen bestehe kein nennenswertes unternehmerisches Risiko, da ein festes Honorar vereinbart wurde. Und da nur der einzelne Auftrag zu bewerten sei, stelle das Risiko keine Folgeaufträge zu erhalten kein relevantes Kriterium dar. Weiterhin setze die selbständige Pflegekraft nur wenige eigene Betriebsmittel in geringem Umfang ein. Und auch die Tatsache eines eigenes Namensschildes sei unbedeutend, da die Wahrnehmung durch Dritte für die rechtliche Bewertung ohne Belang sei.

Und auch der Honorarhöhe kommt nach Auffassung des BSG keine für eine Selbständigkeit sprechende Bedeutung zu. Dies sei zum einen nur ein Kriterium von vielen und als Ausdruck des Parteiwillens zu werten. Dazu führt das BSG aus: „Dem Willen der Vertragsparteien kommt nach der Rechtssprechung des BSG jedoch generell nur dann überhaupt eine potentielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt“.

Bestehen eine unklare Vertragsgestaltung und Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen, wird dieses Kriterium weiter abgeschwächt und unbedeutender.

Und auch die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber stellt nach Ansicht des BSG kein für die Selbständigkeit sprechendes Merkmal dar: „Zwar hat das BSG entschieden, dass eine Tätigkeit für andere Auftraggeber ein Indiz für eine ganz erhebliche Dispositionsfreiheit in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit sein kann, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfindet, weil sie dann die zeitliche Verfügbarkeit des Auftragnehmers erheblich einschränkt. Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - die Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers schon insoweit berücksichtigt wird, als für die Beurteilung auf den jeweiligen Einzelauftrag abgestellt wird“.

Weitere für die Selbständigkeit sprechende und meines Erachtens sehr bedeutsame Kriterien, wie die zeitlichen Vorgaben durch die selbständige Pflegekraft und Freiheit, Dienste abzulehnen, die Freiheit der Auswahl der zu Versorgenden und der bewusste Verzicht auf arbeitnehmertypische Regelungen wie Entgeltfortzahlung und Urlaub, werden vom BSG überhaupt nicht erwähnt.

Kommentar:
Diese Ausführungen zeigen, dass das BSG alles den beiden Aspekten „Weisungen“ und „Eingliederung“ unterordnet. Dies ist extrem einseitig, rechtlich sehr zweifelhaft und steht zudem im Widerspruch zu dem an anderer Stelle in der Entscheidung enthaltenen Hinweis des BSG, dass „die in § 7 Abs 1 S 2 SGB IV genannten Merkmale schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur ‚Anhaltspunkte‘ für eine persönliche Abhängigkeit sind, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien“.

Gerade daraus folgt aber, dass sämtliche Kriterien zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit zu berücksichtigen und zu gewichten sind. Das BSG macht aber sämtliche andere Kriterien mit den Aspekten „Weisungen“ und „Eingliederung“ mehr oder weniger „platt“, wobei hinzukommt, dass meines Erachtens die Argumentation des BSG mindestens bezüglich der vermeintlich bestehenden Weisungen eher dürftig ist.

Und die Ausführungen zum Aspekt „mehrere Auftraggeber“ bleiben dabei ziemlich kryptisch.

Letztlich findet eine wirkliche den Namen verdienende Gesamtabwägung aller pro- und contra-Argumente nicht statt!

L.
Das BSG ist abschließend kurz auch auf die Aspekte der Verfassungsmäßigkeit seiner Entscheidung eingegangen. Dabei hat es – wenig überraschend – weder einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) noch einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG (Freie Entfaltung der Persönlichkeit) festgestellt.

M.
Mit dieser Entscheidung hat das BSG meines Erachtens sehr offensichtlich mindestens auch sozialpolitische Intentionen verfolgt. Dies wird an mehreren Stellen des Urteils sehr deutlich. So meint das BSG es bestehe ein „Schutz der Interessen der Mitglieder von in Pflichtversicherungssystemen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften“ von dem man sich nicht über ein vergleichsweise höheres Honorar „freikaufen“ könne.

Und weiter heißt es: „Das Recht der Sozialversicherung wird beherrscht vom Grundsatz der Solidarität aller abhängig Beschäftigten“.

Auch seien, heißt es an anderer Stelle in der Entscheidung, die „für Unternehmer bestehenden Schwierigkeiten, qualifizierte Beschäftigte zu gewinnen, und Erfordernisse einer Kostenoptimierung für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit nicht relevant“.

Bemerkenswert an dieser Aussage ist vor allem, dass sich das BSG dabei auf die Quelle „Berchtold, 26. Sozialrechtliche Jahresarbeitstagung 2014, 241, 254“ bezieht, hinter der sich „Dr. Josef Berchtold‚ Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht“ verbirgt. Das BSG formt sich somit selbst die Grundlage eigener Entscheidungen, obwohl dies nur dem Gesetzgeber zusteht. Hier gehen – prosaisch formuliert – quasi Judikative und Legislative „Hand in Hand“.

Und auch die Aussage des BSG „Zwingende Regelungen des Sozialversicherungsrechts können nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass Arbeitsverhältnisse als Honorartätigkeit bezeichnet werden“, macht deutlich, dass das BSG für sich hier die Gelegenheit sah, seine individuelle Ansichten zum Sozialversicherungssystem zu manifestieren, wobei sich das BSG hier meines Erachtens zudem „vergaloppiert“, denn die Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist nicht identisch mit einem Arbeitsverhältnis! Und das BSG ist ausschließlich für das Sozialrecht und nicht für das Arbeitsrecht zuständig.

N.
Welche Schlussfolgerungen müssen nur die betroffenen selbständigen Pflegekräfte, Einrichtungen und Agenturen aus dieser Entscheidung ziehen?

Sofern Selbständige in der Pflege noch eine Zukunft haben sollen, sind die vom BSG genannten negativen Merkmale sowohl in der Gestaltung der schriftlichen Vereinbarungen als auch in der tatsächlichen Tätigkeit zu vermeiden oder zumindest deutlich abzumildern.

Dies führt zu zahlreichen Fragen:

  • Wie können die selbständigen Pflegekräfte von den festangestellten Pflegekräften noch deutlicher rechtlich und tatsächlich unterschieden werden?
  • Können die unterschiedlichen Rahmenbedingungen beider Gruppen klarer definiert werden?
  • Können die selbständigen Pflegekräfte mehr an Entscheidungen der Einrichtung beteiligt werden?
  • Können die konkreten Tätigkeiten beider Gruppen tatsächlich, also beispielsweise räumlich, klarer abgegrenzt werden?
  • Können Selbständige Teile der Einrichtungen selbst anmieten und eigenständig betreiben?
  • Können für die Pflege gesetzlich definierte Vorgaben, wie Qualitätskontrolle etc. auch von Selbständigen geleistet werden?
  • Ist in Einrichtungen eine organisatorische Trennung auch beispielsweise hinsichtlich der „Einteilung“ der Selbständigen und Angestellten möglich?
  • Wie kann die Entscheidungsfreiheit der selbständigen Pflegekräfte erweitert werden?
  • Ist eine andere rechtliche Form des Auftretens der Pflegekräfte in Form beispielsweise einer GbR, GmbH oder UG sinnvoll?

Diese selbstverständlich nicht abschließende Aufzählung macht deutlich, dass alle Beteiligten die bisherige Form der Zusammenarbeit grundlegend überdenken und neue bzw. geänderte Modelle finden müssen.

Und zwar nicht nur im eigenen Interesse, sondern vor allem und im Wesentlichen im Interesse der zu Versorgenden, die diese Leistungen dringend benötigen!

© 16.10.2019| Dr. Grunewald| www.dr-grunewald.de

Grenzziehung durch Sozialgerichte

Gerichte setzen Deutscher Rentenversicherung Grenzen - Selbständigkeit von IT- und Unternehmensberatern bestätigt.

Grenzziehung durch Sozialgerichte
Die schier grenzenlose Hatz der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRB) auf selbständige Unternehmensberater und IT-Experten wird zunehmend von den Sozialgerichten (SG) und Landessozialgerichten (LSG) eingehegt. Immer wieder scheitert der Versuch der DRB aus selbständigen Beratern und Entwicklern sozialversicherungspflichtige Angestellte zu machen, um die Kassen der Rentenversicherung zu füllen.
Zwar führt die DRB diesen Kampf meist bis in die zweite Instanz vor das LSG; dort ist dann allerdings häufig Endstation, da die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in den meisten Fällen nicht zugelassen wird und somit auch für die DRB nur über eine Nichtzulassungsbeschwerde erreichbar ist, dessen Chancen bei weniger als 5% liegen.

Nicht zuletzt diesem Grunde hat die DRB in zahlreichen von mir vertretenen Fällen die Entscheidung des jeweiligen LSG pro Selbständigkeit letztlich akzeptiert.

Zwar ist jeder Fall ein Einzelfall – dennoch geben die Entscheidungen an vielen Stellen deutliche allgemeingültige und durchaus übertragbare Hinweise auf die von den SG und LSG als relevant betrachteten Kriterien, deren Beurteilung teilweise gravierend von der Auffassung der DRB abweicht.


Fall 1 (LSG Schleswig-Holstein)
Sachverhalt
Der selbständige Unternehmensberater war über eine Agentur für einen Automobilkonzern im Rahmen eines Projektes zur Prozessharmonisierung der Vertriebswege für das Flottengeschäft in England und Italien tätig. Die Tätigkeit erfolgte ganz überwiegend vor Ort in den beiden Ländern. Der Selbständige erbrachte seine Tätigkeit im Hotel oder an seinem Heimarbeitsplatz in Deutschland. Konkrete Arbeitszeiten gab es nicht. Das Projekt dauerte knapp ein Jahr.

Die DRB beurteilte diese Tätigkeit als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und erließ einen entsprechenden Bescheid. Als Argumente führte sie an, dass die zu erbringende Leistung vertraglich geregelt sei; der Selbständige auf arbeitsbegleitende Regelungen keinen Einfluss gehabt habe; die Ausführung durch Einschränkungen des Endkunden und des Auftraggebers beeinflusst worden sei; die Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitszeit durch die Kontrolle der Anwesenheitszeiten und terminliche Vorgaben des Auftraggebers und Endkunden begrenzt war; die Leistung persönlich habe erbracht werden müssen und Hilfskräfte nicht eingesetzt worden seien; die monatliche Vergütung auf Stundenbasis erfolgte; der Ort der Tätigkeit der des Endkunden gewesen sei, so dass eine Weisungsgebundenheit vorliege; die Arbeitszeit sich an einem vorgegebenen Zeitplan und den üblichen Arbeitszeiten des Endkunden orientierte; eine Eingliederung in die betriebliche Organisation durch die Übertragung einer konkreten Funktion zur Erfüllung einer vom Auftraggeber übernommenen Verpflichtung erfolgt sei und ein Unternehmensrisiko zu verneinen sei.

Nachdem der gegen den Bescheid gerichtete Widerspruch von der DRB abgelehnt wurde, erhob ich Klage, der das SG Schleswig stattgab. Da die DRB mit diesem Urteil nicht einverstanden war, legte sie Berufung beim LSG Schleswig-Holsteinischen ein. Dieses bestätigte das Urteil des SG Schleswig im vollen Umfang, so dass es bei der Feststellung blieb, dass es sich hier um eine selbständige Tätigkeit handelte.

Das LSG betonte dabei nochmals die grundsätzliche Vorgehensweise der Prüfung einer möglichen Sozialversicherungspflicht: In jedem Fall sei stets eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Es müssen dabei zunächst alle für und gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Kriterien festgestellt und dann gewichtet werden, so dass manchen Umständen ein größeres Gewicht zukommen kann. Anschließend müssen die ihrem jeweiligen Gewicht entsprechenden Kriterien in einer Gesamtwürdigung den Gesetzen der Logik folgend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden.

Im konkreten Fall beurteilte das LSG wie schon zuvor das SG die Tätigkeit als selbständig und nannte dabei insbesondere folgende Aspekte: Der Inhalt der Verträge zwischen dem Selbständigen und der Agentur machte deutlich, dass eine Selbstständigkeit von beiden Seiten gewollt war; der Selbständige sei unternehmerisch aufgetreten und präsentiere sich auf seiner Homepage und in Datenbanken dementsprechend; er war nicht in die Betriebsorganisation der Agentur eingegliedert; hatte dort kein Büro und musste seine Bürokosten selbst tragen; es bestanden keine inhaltlichen Vorgaben zum Projekt; der Selbständige war nicht verpflichtet, jeden Auftrag anzunehmen und durfte eigene Mitarbeiter einsetzen; vertragliche Regelungen über Lohnfortzahlung bei Urlaub und Krankheit gab es nicht; die Vergütung mit 74,00 EUR/h zzgl. USt. lag deutlich über der vergleichbar Beschäftigter; der Selbständige trug ein unternehmerisches Risiko, denn er musste seine Bürokosten selbst tragen und hinsichtlich Reisekosten und Vergütung in Vorleistung treten; es gab eine Vertragsstrafenvereinbarung bei Verstößen gegen vertragliche Pflichten und dem Selbständigen konnte fristlos gekündigt werden, wenn beispielsweise der zugrundeliegende Auftrag storniert würde.

Als nicht gegen die Selbständigkeit sprechende Indizien nannte das LSG, dass die Abrechnung nach Arbeitsstunden erfolgte; dass die Verpflichtung zur Rechnungsstellung und Erstattung der Reisekosten weder für eine selbstständige Tätigkeit noch für eine abhängige Beschäftigung spreche; dass der Selbständige parallel nicht für andere Auftraggeber tätig war, weil ihn der Auftrag mehr als vollständig auslastete, wobei es dem Selbständigen grundsätzlich vertraglich nicht untersagt war, weitere Aufträge anzunehmen.

Rechtliche Bewertung
Dieses Verfahren zeigt deutlich, dass die DRB eine extrem einseitige Sicht auf die Tätigkeiten Selbständiger hat und dies teilweise zu absurden, um nicht zusagen abstrusen Auslegungen führt: So kann die Honorierung nach Stunden nicht ernsthaft jegliches unternehmerisches Risiko entfallen lassen – schon allein deshalb nicht, weil jedes Projekt sehr kurzfristig vorzeitig gestoppt werden kann und der Selbständige in der Regel keinen Anspruch auf Bezahlung der noch offenen Stunden hat. Und auch der Umstand der Beachtung bestimmter Parameter wie Öffnungszeiten eines Unternehmens bzw. eine Tätigkeit am Sitz desselben können nicht quasi „automatisch“ zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führen, da es in der Natur der Sache liegt, dass manche Tätigkeiten beim Auftraggeber vor Ort und zu dessen Bedingungen zu erbringen sind, ohne dass der Selbständige damit eine Selbständigkeit aufgeben würde.
Weiter fällt auf, dass die DRB auch gerne eher schwammige „Argumente“ bringt, um die Liste der gegen die Selbständigkeit sprechenden Aspekte auszuweiten: Hier zum Beispiel mit dem angeblich fehlenden Einfluss des Selbständigen auf „arbeitsbegleitende Regelungen“ oder dass die Ausführung durch „Einschränkungen des Endkunden und des Auftraggebers“ beeinflusst worden sei.

Und typisch auch, dass die DRB trotz des gut begründeten Urteils des SG eine Runde weitergeht, den Rechtsstreit um weitere 2 Jahre verzögert und erst das Urteil des LSG akzeptiert.


Fall 2 (LSG Darmstadt)
Sachverhalt
In diesem Fall war der selbständige IT-Berater als Diplom-Informatiker (FH) ‑ ebenfalls über eine Agentur ‑ für eine Bank im Bereich Design und Entwicklung eines Testautomatisierungssystems zur Überführung von Massendaten tätig, wobei die Tätigkeit von vornherein auf 3 Monate begrenzt war. Als Tagessatz wurden 520,00 EUR zzgl. USt. vereinbart. Der Selbständige stellte dann zusammen mit der Agentur einen Statusfeststellungsantrag bei der DRB.

Das (fast) vorhersehbare Ergebnis war, dass die DRB den Selbständigen als sozialversicherungspflichtig einstufte. Dies begründete sie damit, dass der Selbständige seine Tätigkeit in einer fremd bestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt habe und die Rechtsmacht die Durchführung der Beschäftigung entscheidend zu bestimmen, beim Auftraggeber liegt. Auch eine Tätigkeit, die im hohen Maße durch eigene Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit gekennzeichnet sei, schließe eine abhängige Beschäftigung nicht aus. Angesichts der Zahlung fester Bezüge habe er kein unternehmerisches Risiko getragen. Regelmäßig bedienten sich Arbeitgeber ihrer Beschäftigten zur Erfüllung der von ihnen übernommenen (vertraglichen) Verpflichtungen. Eine eigene Kalkulation bzw. Preisgestaltung gegenüber der Bank sei durch ihn nicht erfolgt. Der wirtschaftliche Aufwand für den Erwerb eigener Arbeitsmittel (Laptop und weitere Arbeitsmittel) sei nicht so hoch, dass damit ein erhebliches wirtschaftliches Risiko begründet worden sei. Über die Tätigkeit seien Tätigkeitsnachweise zu führen gewesen. Er sei im Außenverhältnis als Mitarbeiter der Beigeladenen wahrgenommen worden.

Da auch der Widerspruch gegen diese Beurteilung der DRB keinen Erfolg hatte, erhob ich für den Selbständigen Klage beim SG Frankfurt am Main, welches der Klage stattgab.

Dabei führt das SG u.a. aus, dass der Selbständige nicht sozialversicherungspflichtig gewesen sei, denn er habe seine Tätigkeit nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt. Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung sei zunächst der Auftrag, dessen Regelungen für eine selbständige Tätigkeit sprächen.
Und auch die dem Selbständigen gestellten Rahmenbedingungen ließen nicht den Rückschluss auf eine abhängige Beschäftigung zu, denn diese seien der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts des Auftraggebers. Der Selbständige könne die Arbeiten nach seinem Ermessen von seinem Horne-Office aus oder am Betriebssitz des Kunden ausführen. Er sei als IT-Spezialist selbstständig tätig gewesen ohne Weisungsrecht des Auftraggebers. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des des Auftraggebers habe nicht bestanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei, seien nicht ersichtlich. Das Gesamtbild der Tätigkeit des Selbständigen Klägers ergebe im Ergebnis das typische Bild einer selbständigen Beschäftigung eines IT-Experten.

Rechtliche Bewertung
Auch dieser Fall zeigt deutlich, dass sich die DRB stets nach dem „Rosinen-Pick-Prinzip“ vorgeht: Es werden nur die Aspekte herangezogen, die u.U. für eine Sozialversicherungspflicht sprechen und alle anderen Kriterien schlicht totgeschwiegen.
Somit ist die notwendige Gesamtabwägung schon allein deshalb nicht möglich. Zwar findet sich am Ende eines jeden Bescheids der DRB die Aussage, die DRB habe im Rahmen einer Gesamtabwägung entschieden – dies stellt aber in der Regel nicht mehr als eine leere Floskel dar.

Und dieser Fall zeigt gleichzeitig auch die weitgehende Sinnlosigkeit eines Statusfeststellungsverfahren auf: Der Selbständige hatte seinen Antrag auf Statusfeststellung seiner Tätigkeit am 03.08.2009 gestellt. Die DRB erließ dann am 18.02.2010 den negativen Bescheid, zu einem Zeitpunkt, als die Tätigkeit, die bis zum 31.08.2009 dauerte, längst beendet war! Auf den Widerspruch gegen diesen Bescheid erließ die DRB dann am 26.01.2011 einen Widerspruchsbescheid. Die Klage dagegen habe ich dann am 21.02.2011 erhoben; das Urteil des SG Frankfurt am Main erging am 17.03.2016 und das Berufungsurteil Hessischen LSG datiert auf den 26.04.2018.

Das gesamte Statusfeststellungsverfahren hat somit fast 9 Jahre gedauert!

Und dies ist aufgrund der üblichen Dauer der Sozialgerichtsverfahren und der üblichen Anrufung der Berufungsinstanz durch DRB leider keine Seltenheit.


Fall 3 (LSG Bremen/Niedersachsen)
Sachverhalt
Hier hatte die DRB im Jahre 2014 die Tätigkeit eines selbständiger IT-Experte ebenfalls als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Der Selbständige war in einem Projekt „TK-Konsolidierung“ als Projektleiter für ein Teilprojekt tätig. Als Tagessatz wurde von 925,00 EUR zzgl. USt. vereinbart. Der Selbständige, der für ein Projektteam von insgesamt 13 Mitarbeitern zuständig war, wurden keine Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt. Er konnte seine Arbeitszeit frei bestimmen, hatte aber ein gewisses Maß an Abstimmung zu berücksichtigen. Eine Anwesenheitspflicht oder eine Meldungspflicht über Aufnahme, Unterbrechung oder Beendigung der Arbeitszeit war nicht gegeben.

Da die DRB dennoch einen negativen Bescheid erließ und auch dem Widerspruch nicht abhalf, erhob ich Klage beim SG Oldenburg, das der Klage im vollen Umfang stattgab. Nach der Beurteilung des SG war der Selbständige nach dem Gesamtbild nicht persönlich und wirtschaftlich abhängig gewesen. Schon nach der Vertragsbeziehung überwögen die Gründe für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Es habe sich um einen projektbezogenen und befristeten Vertrag gehandelt. Der Selbständige sei eigenverantwortlich und weisungsfrei tätig gewesen. Er habe seine Zeit frei einteilen können, er habe weitergehender als ein klassischer Arbeitnehmer gehaftet, nämlich auch für einfache Fahrlässigkeit und auch für Schäden beim Kunden. Die Höhe der Vergütung habe für eine selbstständige Tätigkeit gesprochen. Der Tagessatz von knapp 1.000,00 EUR sei untypisch für eine abhängige Beschäftigung, auch die eines leitenden Angestellten. Bei einer solchen Vergütungshöhe sei es in finanzieller Hinsicht möglich und schlüssig, sich als Selbstständiger privat für den Fall des Alters, der Arbeitslosigkeit, der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit abzusichern. Es sei finanziell möglich, Mitarbeiter für den Fall der eigenen Verhinderung zu beschäftigen. Und auch die außervertraglichen Umstände sprächen für eine selbstständige Tätigkeit. Der Selbständige sei weder persönlich noch wirtschaftlich abhängig gewesen. Er sei auch von anderen Auftraggebern begehrt gewesen und habe frei entscheiden können, welchen der angebotenen Aufträge er annehme. Er habe auch die Höhe der Vergütung selbst festlegen können. Auch die formellen Umstände wie Versteuerung und fehlende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei Urlaub sprächen für eine selbstständige Tätigkeit. Die tatsächliche Arbeitsgestaltung spräche überwiegend für Selbstständigkeit. Der Selbständige sei nicht auf der gleichen Ebene beschäftigt gewesen wie andre feste Mitarbeiter, mit denen er zusammengearbeitet habe, sondern er habe übergeordnetes Fachwissen und eher eine beratende und koordinierende Funktion gehabt. Er habe über Arbeitszeit und Arbeitsinhalt frei verfügen können. Dass er sich hierbei an den üblichen Bürozeiten orientiert habe, sei dem Umstand geschuldet, dass eine Begleitung am Besten im persönlichen Kontakt mit den Mitarbeitern des Endkunden möglich gewesen sei.

Und auch der Auftragsinhalt spreche im Ergebnis für eine Selbstständigkeit. Der Selbständige habe ein besonderes Fachwissen eingebracht und insbesondere in kommunikativer Hinsicht zwischen den vorhandenen Mitarbeitern vermittelt. Er habe ähnlich einer externen Unternehmensberatung oder eines externen Coaches selbst keine Programmieraufgaben oder Arbeitsaufträge im Mitarbeiterteam übernommen. Seine Funktion sei übergeordnet gewesen. Der beratende Anteil der Tätigkeit war ähnlich eines Unternehmensberaters und spreche ebenfalls für eine selbstständige Tätigkeit. Dies sei ein klassischer Fall der Beauftragung eines externen selbstständigen Experten für ein konkretes Anliegen. Die Selbständigkeit habe der Überzeugung und dem Willen des Selbständigen entsprochen. Für eine abhängige Beschäftigung spreche zwar, dass er die Tätigkeit habe höchstpersönlich erbringen müssen und die Einschaltung von Subunternehmern einer Genehmigung bedurfte. Dies könne jedoch als Ausdruck der besonderen Qualifikation des Selbständigen verstanden werden; er sei daher auch höher entlohnt worden. Insgesamt überwögen mithin die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit.

Die (zwangsläufige!) Berufung der DRB wies das LSG Bremen-Niedersachsen ‑ hier sogar ohne mündliche Verhandlung – im vollen Umfang zurück, so dass das Urteil des SG Oldenburg rechtskräftig wurde.

Rechtliche Bewertung
Auch hier wird erneut deutlich, dass die DRB in hohem Maße beratungsresistent ist. Das Urteil des SG Oldenburg war gründlich und widerspruchsfrei begründet. Die Tätigkeit des Selbständigen wurde abgewogen und sowohl tatsächlich wie rechtlich umfassend gewürdigt.
Dennoch musste die DRB offensichtlich allein aus Prinzip in die Berufung gehen, um dann aber auf den schriftlichen Hinweis des LSG Bremen-Niedersachsen die Berufung doch zurückzunehmen, was allen Beteiligten 2 weitere Jahre „gekostet“ hat.

Besonders positiv am Urteil ist meines Erachtens, dass die Zusammenarbeit des Selbständigen ‑ und die damit notwendige Abstimmung ‑ mit den anderen Projektbeteiligten nicht negativ gewertet wird.
Weiterhin wurden auch die wie von der DRB regelmäßig als unwichtig eingestuften Aspekte der fehlenden Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Urlaub und die Freiheit, Aufträge abzulehnen als relevante für die Selbständigkeit sprechende Kriterien gewertet.

Fall 4 (Bayerisches Landessozialgericht)
Im letzten hier dargestellten Fall geht es um einen selbständigen IT-Berater, der über eine Unternehmensberatung für eine Versicherung eine Aufgabe, die als „Projektmanagement Internet" bezeichnet war, übernommen hatte. Die Tätigkeit war von vornherein befristet geplant und für den Zeitraum von 02.01.2014 bis zum 31.07.2014 durchgeführt.

Am 22.01.2014 stellte der Selbständige einen Antrag auf Statusfeststellung bei der DRB. Wie kaum anders zu erwarten, war Ergebnis dieses Verfahrens ein ablehnender Bescheid und Widerspruchsbescheid, so dass ich beim SG München Klage erheben musste. Das SG München entschied dann mit seinem Urteil vom 11.08.2016, dass der Selbständige keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausübt. Hierbei führte das SG München u.a. aus: „Vorliegend ist sehr ausführlich und sorgfältig dargelegt und auch unschwer erkennbar, dass die Dienstleistung des Klägers ausgesprochen hochwertig, spezialisiert und individualisiert war. Er wurde offenkundig genau wegen eines bei der Beigeladenen bekannten Profils persönlicher und fachlicher Eigenschaften für genau die Aufträge herangezogen, bei denen er unter allen Aspekten von Zuverlässigkeit und Schnelligkeit die besten Ergebnisse garantieren und die Risiken minimieren konnte.“

Und weiter: „In der modernen Dienstleistungsgesellschaft ist es zur alltäglichen Erscheinung geworden, dass hoch qualifizierte Personen in einer extrem flexiblen Weise für mehrere Arbeitgeber oder Auftraggeber tätig werden. Der Arbeitsort kann abwechselnd der EDV­Arbeitsplatz zuhause, ein entsprechend ausgestatteter Raum des Auftraggebers, das Auto, der ICE oder das Flugzeug sein. Dem „Produkt" fehlen oftmals sowohl das klassische materielle Substrat eines Handwerks- oder Industrieerzeugnisses als auch das persönliche Element einer in körperlicher und geistiger Präsenz erbrachten Dienstleistung. Produziert wird vielmehr ein letztlich virtuelles Gebilde, bei dem es sich um eine Kommunikations-, Werbe-, Bestell- und Lieferungsstruktur zwischen dem Anbieter realer Waren und Dienstleistungen hier und der Kundschaft dort handeln kann, um eine Plattform für den politischen und gesellschaftlichen Nachrichten- und Meinungsaustausch oder um ein Spiel mit der Möglichkeit der Teilnahme von mobilen Geräten aus.“

„Vorliegend bietet die Tätigkeit des Klägers geradezu das Idealbild einer solchen digitalen Arbeitstechnik im 21. Jahrhundert. Der Kläger hat wiederum ganz diesem Bild entsprechend die Behauptungen der Beklagten über eine Fremdbestimmung von Arbeitsplatz, Arbeitszeit und Arbeitsweise geduldig widerlegt, ohne jedoch bei der Beklagten Gehör zu finden. Ort und Zeit der Leistungserbringung werden vorliegend gerade nicht vorgegeben. Die Beeinflussung des kreativen Prozesses des Klägers findet nicht in Gestalt von Weisungen statt, sondern in der Kommunikation auf Augenhöhe zwischen gleichberechtigten Partnern. Bekanntlich gibt auch der Eigentümer von Immobilien dem Gärtner, Anstreicher oder Installateur die Art und den Umfang seiner Tätigkeiten vor, ohne dass der Handwerker damit auch bei wochenlanger Inanspruchnahme in ein Beschäftigungsverhältnis bei ihm eintreten würde. Die Beauftragung eines selbstständigen Tagungsreferenten oder Kabarettisten, Architekten oder Bildhauers, Catering-Unternehmers oder Reiseleiters bedeutet ja jeweils auch nicht dessen völlige Freiheit in Art und Ergebnis seiner Aktivitäten, sondern geschieht in der Erwartung, dass ganz spezifische Arbeitsanteile unter den Aspekten von Auftragstreue, Zeit und Qualität erfüllt werden. Selbstverständlich finden zu diesem Zweck je nach der Eigenart des Projekts Kontrollen, Rückfragen und Besprechungen statt
Die von der Beklagten immer wieder herangezogenen Kriterien „Kapitaleinsatz" und ,,Unternehmerrisiko" sind bei der Beurteilung von Dienstleistungen wenig aussagekräftig.

Der eindeutig selbstständige bzw. freiberufliche Schriftsteller, Psychotherapeut, Unternehmensberater oder Rechtsanwalt setzt genauso wenig „Kapital" ein wie der bei einer Zeitung vollzeitbeschäftigte Journalist oder der leitende Angestellte eines Unternehmens. Die für viele geistig-kommerziell-kommunikative Berufe notwendige Vorhaltung eines häuslichen Büros mit PC, Telefon und Schreibtisch sowie der Besitz eines Autos sind so selbstverständlich geworden, dass sich aus einer solchen Infrastruktur und ihrer mehr oder weniger intensiven beruflichen Nutzung keine bedeutsamen Schlüsse ziehen lassen. Auch die Mehrzahl der zweifellos nicht selbstständigen Tageszeitungsredakteure, Gymnasiallehrer, Hochschulprofessoren und Richter halten sich zuhause eine wissenschaftlich-schreibtechnisch-kommunikative Arbeitsbasis.
Hinsichtlich des Unternehmerrisikos müsste die Beklagte zur Kenntnis nehmen, dass im Dienstleistungsbereich gewiss nicht die einzelne vereinbarte Arbeitsstunde oder der einzelne Arbeitstag in der Ungewissheit über einen Erlös begonnen werden, sondern dass das typische Risiko hier in der Ungewissheit künftiger Aufträge besteht.

Eine betriebswirtschaftliche Risikokalkulation kann im Dienstleistungsbereich naturgemäß nicht in derselben Weise stattfinden wie sie bei der Produktion von Waren möglich ist, bei der die Wahrscheinlichkeiten eines schnellen Abverkaufs, eines zögernden Verkaufs erst nach wiederum kostspieliger Lagerhaltung, einer billigen Abgabe von Überbeständen und schließlich einer vollständigen Abschreibung des unverkäuflichen Rests mit betriebswirtschaftlichen Kurven aufgezeichnet werden können. Unstrittig unterliegt der Kläger einem Risiko künftiger Beauftragung, das durch keinen Kündigungsschutz und durch keine sonstige Bestandsgarantie abgefedert ist. Nach alledem ist beim Kläger mit großer Deutlichkeit die Selbstständigkeit bewiesen.“

Trotz dieses sehr eindeutigen und sehr gut begründeten Urteils rief die DRB das Bayerische LSG an. Dieses machte dann der DRB im Termin der mündlichen Verhandlung am 28.02.2019 deutlich, dass es hier ebenfalls von einer Selbständigkeit ausgehe. Da die DRB zudem ihren ursprünglichen Bescheid erst erließ, als das Projekt bereits beendet und der Selbständige nicht mehr tätig war, nahm die DRB die Berufung noch im Termin zurück, so dass damit das Urteil des SG München rechtskräftig wurde.

Rechtliche Bewertung
Dieses Verfahren ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die DRB auch noch so gut begründete Urteile der Sozialgerichte nicht zu akzeptieren bereit ist. Und es zeigt ebenfalls, dass die DRB auch dann an Kriterien wie Kapitaleinsatz und unternehmerisches Risiko geradezu verzweifelt festhält, wenn diese ‑ wie häufig im IT-Bereich ‑ erkennbar keine Bedeutung haben.

Fazit
Alle Entscheidungen machen deutlich, dass die Rechtsprechung den Bereich der IT- und Unternehmensberatung in vielen Fällen erheblich klarer und praxisnäher sieht als die DRB. Auch berücksichtigen viele Gerichte die Intentionen des Gesetzgebers und wenden die höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend und rechtskonform an.

Zwar bewegen sich hier alle Akteure nach wie vor in einer Grauzone, die mal heller und mal dunkler ist. Im Gegensatz zur eindimensionalen Sichtweise der DRB kann man nach meiner eigenen nunmehr fast 20jährigen Erfahrung auf diesem Gebiet vor den Sozial- und Landessozialgerichten jedoch mit einer in der Regel abgewogenen und die Gesamtumstände des Einzelfalls bewertenden Beurteilung rechnen.

Allein deshalb sollte kein Selbständiger und kein Auftraggeber einen negativen Bescheid der DRB einfach hinnehmen, sondern diesen gerichtlich überprüfen lassen. In den meisten Fällen wird man sagen können: Es lohnt sich!

Scheinselbstständigkeit und Compliance!

Kann ein Compliance-System die Risiken der Scheinselbstständigkeit vermeiden?

Das Risiko Scheinselbstständigkeit
Das Risiko Scheinselbstständigkeit ist für alle Unternehmen, die Selbständige beauftragen, nach wie vor eines der gravierendsten Probleme. Dabei zeigt meine Erfahrung, dass viele Unternehmen in diesem Zusammenhang häufig unzulänglich beraten sind und dabei zudem die Bereiche Scheinselbstständigkeit, Rentenversicherungspflicht und Arbeitnehmerüberlassung in vielen Fällen miteinander in unzulässiger Weise vermischt werden.

Dies führt in der Regel zu falschen Ergebnissen und damit verbundenen falschen Konsequenzen: Sei es, dass ein Auftragsverhältnis unnötigerweise abrupt beendet wird, sei es dass aufwändige Vorkehrungen getroffen werden, die gegen Scheinselbstständigkeit schützen sollen, aber außer der Tatsache, dass diese Maßnahmen häufig sowohl teuer als auch wenig projektförderlich sind, letztlich wirkungslos bleiben oder sei es, dass zwar das Thema Scheinselbstständigkeit in irgendeiner Form „bearbeitet“ wird, dies aber – auch aufgrund der oben genannten häufig unzutreffenden rechtlichen Annahmen – sogar kontraproduktiv ist und für das Unternehmen dann sogar noch schädlichere Auswirkungen haben können.

Somit stellt sich sowohl für Unternehmen als auch Selbständige die Frage, in welcher Form eine Zusammenarbeit mit möglichst geringem Risiko vertretbar ist.

Ein unternehmensinternes Compliance-System

Ein unternehmensinternes Compliance-System kann hierauf die Antwort sein, welches die relevanten Risikomerkmale erfasst, bewertet und dokumentiert und die Ergebnisse konsequent umsetzt. Weiterhin sind die rechtlichen Grundlagen zu formulieren, die praktische Umsetzung zu beachten und in angepassten zeitlichen Abständigen zu überprüfen. Schließlich ist auch die Außendarstellung des Unternehmens zu prüfen, sofern sich hieraus Rückschlüsse auf die Zusammenarbeit mit Selbständigen ableiten lassen.

Alles in allem stellt damit ein derartiges Compliance-System ein „Gesamtpaket“ dar, dass das Risiko Scheinselbständigkeit aber gleichzeitig auch die anderen beiden daneben stehenden Risiken der Rentenversicherungspflicht und der (unerlaubten) Arbeitnehmerüberlassung umfasst und regelt und damit den Unternehmen und ihren verantwortlich Handelnden wie Geschäftsführern, Vorständen oder Inhabern hilft, sich im Falle einer behördlichen Überprüfung best möglich verteidigen zu können und damit sowohl (Nach)Zahlungen des Unternehmens als auch persönliche strafrechtliche Folgen zu vermeiden.

Eine individuelle Analyse

Eine individuelle Analyse sollte am Beginn der Entwicklung eines unternehmensinternen Compliance-Systems stehen. Da die Verjährungsfrist für die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen 4 Jahre beträgt, ist daher zunächst dieser Zeitraum zu untersuchen. Es sollte eine Übersicht erstellt werden welche Selbständigen in welchem Umfang und aufgrund welcher Aufträge tätig waren bzw. es noch sind. Erfasst werden sollten auch Parameter wie beispielsweise der Ort der Leistungserbringung (beim (End-)Kunden, im Unternehmen oder Home-Office) und deren jeweiligen zeitlichen Anteile sowie die Rechtsform (Einzelunternehmen, GbR, Ein-Personen-GmbH oder UG etc.).

Wichtig ist auch der Umstand, ob der Selbständige direkt beauftragt wird oder ob dies über ein anderes Unternehmen wie z.B. eine Unternehmensberatung erfolgt. Ist letzteres der Fall, verlagert sich zwar das Risiko eventueller Nachzahlungen auf dieses Unternehmen - aufgrund des davon unabhängig bestehenden Risikos der (unerlaubten) Arbeitnehmerüberlassung und den strafrechtlichen Aspekten macht dies ein unternehmensinternen Compliance-System jedoch keineswegs überflüssig.

Und selbstverständlich sollten alle abgeschlossenen Verträge und sonstigen Vereinbarungen geprüft werden.

Die rechtlichen Grundlagen der Zusammenarbeit

Die rechtlichen Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und den Selbständigen stellen einen weiteren wichtigen Baustein des Compliance-Systems dar. Hier sollte nicht – wie allgemein üblich – mit Verträgen, wie Gesamtvertrag oder Rahmen- und Einzelvertrag gearbeitet werden. Vielmehr hat sich hier nach meiner Erfahrung der Einsatz von AGB und Bestellung/Angebot bewährt.
Dies ist zum einen bereits formal deutlich weiter von einem möglichen sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis bzw. Arbeitsverhältnis entfernt. Und auch die praktische Handhabung ist für alle Beteiligten erheblich weniger aufwändig und deutlich transparenter. Selbstverständlich müssen die AGB den tatsächlichen Bedingungen entsprechen und sollten keine missverständlichen Formulierungen enthalten.

Das Scoring-System

Das tabellarische und damit sehr schnell überschaubare Scoring-System hilft Risiken möglichst früh zu erkennen und ihnen angemessen zu begegnen. Gerade wenn häufiger Selbständige beauftragt werden, kann damit auch von rechtlich nicht vorgebildeten Mitarbeitern des beauftragenden Unternehmens eine erste Einschätzung vorgenommen werden. Weiterhin stellt das Scoring-System und deren Ergebnisse auch für den (später) hinzugezogenen rechtlichen Berater ein wertvolles Instrument der Risiko-Analyse dar.

Das Scoring-System sollte vor jeder Beauftragung eines Selbständigen eingesetzt werden und - je nach Dauer der Zusammenarbeit - wiederholt zur Anwendung kommen, da viele Parameter wie beispielsweise die Anzahl der Auftraggeber des Selbständigen, die Tätigkeitsumstände beim (End-)Kunden oder die persönlichen Merkmale des Selbständigen im Laufe der Zeit häufig einem Wandel unterliegen.

Zwar sollte eine abschließende Beurteilung nie allein auf Basis des Scoring-Systems erfolgen. Es stellt jedoch ein hilfreiches Werkzeug dar, welches die Gesamtbewertung erleichtert und zudem Hinweise auf kritische Aspekte liefert, die auch über den Einzelfall hinausgehen und zu grundsätzlichen risikomindernden Veränderungen führen können.

Die Leitlinien der Tätigkeit Selbständiger

Die Leitlinien der Tätigkeit Selbständiger sollten keine mehr oder minder willkürlich „zusammengewürfelte“ Checklisten sein! Diese nützen praktisch nichts, da sie in der Regel lediglich eine Auflistung mehrerer für oder gegen die Selbständigkeit sprechender Kriterien sind. Da es aber einerseits eine (fast) unbegrenzte Anzahl von Kriterien gibt und es andererseits evident wichtig ist, die einzelnen Kriterien zu gewichten, werden pauschale Checklisten, deren Merkmale zudem häufig unsauber formuliert sind, einer sachgerechten Bewertung der Tätigkeit eines Selbständigen nicht gerecht; sie vermitteln eher eine gefährliche Scheinsicherheit, was sich im Rahmen einer späteren Überprüfung bitter rächen kann.

Die Planung und Umsetzung eines Compliance-Systems

Die Planung und Umsetzung eines Compliance-Systems ist ein wirksames Mittel, dem Risiko der Scheinselbständigkeit zu begegnen. Dabei ist wichtig, das System nicht nur zu installieren, sondern auch „zu leben“. Darauf sollten alle mit der Zusammenarbeit mit Selbständigen befassten Mitarbeiter des Unternehmens „geeicht“ werden, wozu als Einstieg und quasi „Initialzündung“ meiner Erfahrung nach ein Workshop mit den Beteiligten sehr gut geeignet ist.

Schließlich sollte neben der konsequenten Anwendung des Compliance-Systems, die im Einzelfall selbstverständlich auch zu einer „Nicht“-Beauftragung führen kann - die Dokumentation gepflegt werden. Dies ist gerade unter dem Aspekt möglicher strafrechtlicher Vorwürfe von großer Bedeutung. Zudem stellt dies ein probates Mittel zur Abwehr der   wenngleich tatsächlich selten relevanten   30jährigen Verjährung bezüglich der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeträgen dar.

Somit kann die im Titel gestellte Frage „Kann ein Compliance-System die Risiken der Scheinselbstständigkeit vermeiden?“ unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Elemente eines solchen System grundsätzlich mit „Ja“ beantwortet werden.

© 20.07.2018| Dr. Grunewald| Bremen| www.dr-grunewald.de

Scheinselbstständigkeit und Rentenversicherungspflicht

Eine unendliche Geschichte?

Die Begriffe Scheinselbstständigkeit und Rentenversicherungspflicht haben die meisten Selbstständigen aus ihrem Sprachschatz gestrichen. Es herrscht die Ansicht vor, dass dieses Thema keine Bedeutung mehr hat.

Dies ist jedoch falsch!

Tatsächlich verfolgt die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) nach wie vor das Ziel, insbesondere für die marode gesetzliche Rentenversicherung möglichst viele Beitragszahler selbst zu generieren.

Dabei muss jedoch klar zwischen den Bereichen Scheinselbstständigkeit auf der einen Seite und Rentenversicherungspflicht auf der anderen Seite zu unterschieden werden.

Zur Scheinselbstständigkeit

Mit ihrem »Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit«(!) hatte die Bundesregierung gravierende Verschlechterungen für Selbstständige ab dem 01.01.1999 in Kraft gesetzt. Hierzu gehörten insbesondere die in § 7 Abs. 4 SGB IV eingefügten 5 Kriterien (eigener Mitarbeiter, ein Auftraggeber, vergleichbare Tätigkeit, unternehmerisches Handeln und vorherige Beschäftigung beim Auftraggeber) zur Definition der Scheinselbstständigkeit nebst einer Beweislastumkehr gegen den Selbständigen.

Diese 5 Kriterien wurden dann durch das »Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« zum 01.01.2003 ersatzlos gestrichen.

Nunmehr hat § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV folgenden Wortlaut: »Anhaltspunkte für eine (nichtselbständige) Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers«.

Damit ist das Risiko der Scheinselbstständigkeit seit 2003 erheblich reduziert, zumal der BfA wieder die volle Beweislast zukommt.

Allerdings kann die BfA heute im Jahr 2005 auch noch Beiträge für 2001 und 2002 beanspruchen, also für einen Zeitraum, in welchem die oben genannten 5 Kriterien einschließlich der Beweislastumkehr zu Ungunsten des Selbständigen noch galten!

Zur Rentenversicherungspflicht

Anders als bei der Scheinselbstständigkeit wurden die beiden Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI, die die Rentenversicherungspflicht des arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen definieren, im Rahmen des oben genannten Gesetzes zum 01.01.2003 nicht geändert! Daher gilt nach wie vor ein Selbstständiger als rentenversicherungspflichtig, wenn er regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist.

Der Selbstständige darf sich dann mit ausschließlich vom ihm selbst aufzubringenden monatlichen Beiträgen am Versuch beteiligen, das »Schwarze Loch« der Gesetzlichen Rentenversicherung zu stopfen. Dies kostet ihn ab 2005 monatlich 470,93 Euro.

Auch hier kann die BfA noch bis zum Jahr 2001 zurück Beiträge verlangen, die nur wenig unter dem aktuellen Betrag liegen.

Geändert hat sich allerdings die Höhe des Einkommens, welcher der vom Selbstständigen angestellte Arbeitnehmer zu erhalten hat, damit er als versicherungspflichtig gilt: hier beträgt ab 01.04.2003 das monatliche Mindestgehalt nunmehr 401,00 EUR.

Somit ist das Risiko der Rentenversicherungspflicht auch durch die neuen Gesetzesänderungen nicht minimiert worden!

Fazit

Aus alledem folgt: Auch heute noch kann die BfA Selbstständige zu Beitragszahlern machen bzw. dies zumindest versuchen.

Jegliche Anschreiben und Fragebögen der BfA oder LVA sind daher mit größter Vorsicht zu behandeln und sollten erst nach Beratung mit einem in dieser Materie bewanderten Rechtsanwalt beantwortet werden.

Ein Auftraggeber - Neues aus der Rechtsprechung

Einleitung

Bereits in der Vergangenheit habe ich über das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 26.03.2004 berichtet, welches einen Selbstständigen trotz langjähriger Tätigkeit nur für einen Auftraggeber als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuft hatte (siehe dazu meinen Beitrag „Erstes Urteil zum Aspekt ´Ein Auftraggeber´“).

Nun habe ich zwei weitere Urteile erwirkt, die ebenfalls die Rentenversicherungsfreiheit selbstständiger IT-Berater bestätigen.

Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 20.01.2006

Hier war der Selbstständige im Zeitraum seit dem Jahr 2000 im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber in verschiedenen Projekten tätig.

In seiner Entscheidung betont das Sozialgericht Itzehoe, dass es gerade für den IT-Bereich branchentypisch sei, komplexe Aufgaben übertragen zu bekommen, die die gesamte Arbeitskraft des Selbstständigen auch über einen längeren Zeitraum binden.

Im Übrigen macht sich das Sozialgericht Itzehoe die Argumente des Sozialgerichts Aachen zu eigen (Sozialgericht Itzehoe, Urteil vom 20.01.2006, Az. S 5 RA 10/03, rechtskräftig).

Urteil des Sozialgerichts München vom 24.03.2006

Auch hier war der Selbstständige über einen längeren Zeitraum von 3 Jahren nur bzw. ganz überwiegend für einen Auftraggeber tätig. Auch das Sozialgericht München beruft sich auf das oben dargestellte Urteil des Sozialgericht Aachen und weist ergänzend darauf hin, dass der vom VDR (Verband Deutscher Rentenversicherungsträger) vorgegebene Maßstab der „5/6-Regelung“ hinsichtlich der Einkommensverhältnisse bei mehreren Auftraggebern keine Gesetzesqualität hat (Sozialgericht München, Urteil vom 24.03.2006, Az. S 27 RA 2642/05).

Fazit

Auch die beiden neuen Entscheidungen zeigen, dass sich die DRB (Deutsche Rentenversicherung Bund) mit seiner Interpretation der gesetzlichen Regelung zur Rentenversicherungspflicht Selbstständiger auf rechtlich ziemlich dünnem Eis bewegt.

Daher sollte jeder Selbstständige, der sich konkreten Forderungen oder auch nur einer scheinbar harmlosen Anfrage der DRB ausgesetzt sieht, seine rechtliche Situation von einem in diesem Bereich erfahrenen Rechtsanwalt prüfen lassen. Bei möglichen Forderungen der DRB von über 20.000,00 EUR allein für die Vergangenheit könnte sich dies lohnen.

Wettbewerbsverbote und das richtige Gericht

Kommt es beim Thema „Wettbewerbsverbote“ zu einem Rechtsstreit, stellt sich die grundsätzliche Frage, welches Gericht zuständig ist: das Zivilgericht oder das Arbeitsgericht?

Auch wenn es auf den ersten Blick reizvoll erscheinen mag, das Arbeitsgericht anzurufen, ist Freiberuflern hiervon entschieden abzuraten.

I. Zuständigkeitsgerangel der Gerichte

Jeder Richter prüft bei einer Klage zuerst und vor allem, ob er bzw. sein Gericht überhaupt zuständig ist. Sieht er eine gute Chance, die Klage an ein anderes Gericht abgeben zu können, wird er sie nutzen. Diese Gefahr ist bei Arbeitsgerichten im Falle von Klagen wegen Wettbewerbsverboten für Freiberufler sehr hoch. Dies hängt damit zusammen, dass Arbeitsgerichte zuständig sind für

„bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern

a) aus dem Arbeitsverhältnis;

b) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses;

c) aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen“

Das heißt konkret, dass Arbeitsgerichte für die Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zuständig sind.

Ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, es sich beim Freiberufler um eine arbeitnehmerähnliche Person handelt oder der Freiberufler tatsächlich „frei“ ist, lässt sich zumindest zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage in der Regel nicht abschließend beantworten. Damit ist der Streit über die Zuständigkeit zwischen den in Betracht kommenden Gerichten programmiert.

Ich selbst habe in diesem Zusammenhang z.B. nach Übernahme eines Mandats festgestellt, dass eine Klage bereits mehrfach zwischen dem angerufenen Arbeitsgericht und dem sonst zuständigen Zivilgericht hin- und hergegangen war und allein dieses Zuständigkeitsgerangel über ein halbes Jahr gedauert hat, ohne dass man inhaltlich auch nur einen Millimeter vorangekommen wäre.

II. Gegenwehr des Gegners

Sofern der Freiberufler gegen das Wettbewerbsverbot vor dem Arbeitsgericht klagt, wird sich der Gegner noch erheblich erbitterter wehren, als er das sonst täte.

Er muss nämlich in diesem Fall damit rechnen, dass nicht nur das Wettbewerbsverbot als unzulässig erklärt, sondern dass für ihn als Auftraggeber des Freiberuflers der Status als Arbeitgeber gerichtlich festgestellt wird.

Eine Entscheidung, die für ihn wirtschaftlich katastrophale Folgen haben würde (dazu ausführlich unter III.).

Daher wird auch der Gegner in einem derartigen Verfahren seinerseits alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um vom Arbeitsgericht wegzukommen und zudem versuchen, ebenfalls Argumente für die Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts zu finden. Konkret bedeutet dies eine vorhersehbare weitere Verschleppung des Verfahrens.

III. Sozial-, arbeits- und steuerrechtliche Konsequenzen

Stellt ein sich als zuständig definierendes Arbeitsgericht fest, dass es sich nicht um ein freies Mitarbeiterverhältnis sondern um ein Arbeitsverhältnis handelt, so hat dies für beide Beteiligte dramatische rechtliche Konsequenzen:

Der Auftraggeber wird dann als Arbeitgeber behandelt mit der Folge, dass er für den freien Mitarbeiter, der nunmehr als sein Arbeitnehmer gilt, sämtliche Sozialversicherungsbeiträge nachentrichten muss. Der Auftraggeber, jetzt Arbeitgeber, kann sich aber vom freien Mitarbeiter, jetzt Arbeitnehmer, nur drei Monatsbeiträge zurückholen, so dass der Auftraggeber den Löwenanteil der Belastung tragen muss – und dies sowohl für einen zurückliegenden Zeitraum von maximal 4 Jahren und die Zukunft, so lange das Arbeitsverhältnis besteht.

Denn selbstverständlich finden alle arbeitsrechtlichen Vorschriften vom Kündigungsschutz über den Urlaubsanspruch bis hin zum Arbeitnehmererfindungsgesetz Anwendung auf das „neue“ Arbeitsverhältnis.

An dieser Stelle möchte ich bemerken, dass die in manchen Verträgen enthaltenen anders lautenden Regelungen, die in diesem Zusammenhang eine Zahlungs- bzw. Erstattungspflicht des Freiberuflers vorsehen, meiner Meinung nach unwirksam und gerichtlich nicht durchsetzbar sind.

Zudem entsteht ein weiteres Problem: Die Rechnungen des Freiberuflers, der regelmäßig Umsatzsteuer ausweist, sind im Nachhinein unrichtig, denn als Arbeitnehmer darf er keine Umsatzsteuer vereinnahmen. Somit wären sämtliche Rechnungen und die geltend gemachte Vorsteuer zu korrigieren.

IV. Rentenversicherungspflichtige Konsequenzen

Stellt das Arbeitsgericht fest, dass es sich zwar um ein freies Mitarbeiterverhältnis, beim Freiberufler aber um eine arbeitnehmerähnliche Person handelt, so sind die rechtlichen Folgen, zumindest für den Freiberufler, nicht weniger dramatisch:

In diesem Fall wird der Freiberufler zwar als selbständig, jedoch als rentenversicherungspflichtig eingestuft. Dies wird ihn vom Wettbewerbsverbot befreien – gleichzeitig aber mit der Rentenversicherungspflicht belasten. Diese kann ebenfalls maximal 4 Jahre rückwirkend gefordert werden und je nach Gewinn des Freiberuflers über 20.000,00 EUR allein für die Vergangenheit betragen.

Geld, das zwar der Deutsche Rentenversicherung Bund helfen mag, vorübergehend eines ihrer zahlreichen Finanzlöcher zu stopfen, dem Freiberufler aber keine wirkliche Alterssicherung bietet.

V. Entscheidungen der Zivilgerichte

Und schließlich gibt es einen weiteren guten Grund, nicht zum Arbeitsgericht sondern gleich zum Zivilgericht zu gehen, wenn es um Wettbewerbsverbote geht: Die Zivilgerichte selbst!

Mittlerweile haben zahlreiche Land- und Oberlandesgerichte zu Gunsten der Freiberufler in Sachen Wettbewerbsverbote entschieden:

OLG Frankfurt, Urteil vom 24.01.2003, Az. 13 U 15/01
LG München I, Urteil vom 05.12.2003, Az. 6 O 12790/03
LG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2003, Az. 3 O 135/03
LG Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2004, Az. 10 O 431/03
LG München II, Urteil vom 02.07.2004, Az. 2 O 1505/04
OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.09.2004, Az. I 6 U 38/04
OLG Köln, Urteil vom 23.02.2005, Az. 27 U 19/04
LG Köln, Urteil vom 26.07.2005, Az. 16 O 622/03
OLG Köln, Urteil vom 02.03.2006, Az. 12 U 73/05

Natürlich stellen diese Urteile keine Garantie dar, bei anderen Land- oder Oberlandesgerichten auch zu gewinnen – allerdings wird ein Land- bzw. Oberlandesgericht eher auf diese Entscheidungen achten als dies ein Arbeitsgericht tun würde.

VI. Fazit

Das Ergebnis kann daher nur lauten: Hände weg vom Arbeitsgericht!

Kann das Problem Wettbewerbsverbote nicht außergerichtlich gelöst werden, sollte immer das zuständige Landgericht angerufen werden. Das Risiko, das dieses Gericht sich als nicht zuständig betrachtet ist meiner Erfahrung nach äußerst gering und vor dem Hintergrund der oben genannten bisherigen Urteile erheblich Erfolg versprechender als der Gang zum Arbeitsgericht.

Schutzschrift

eine existenzsichernde Maßnahme für Freiberufler Wettbewerbsverbot und einstweilige Verfügung

Es kommt nicht gerade selten vor, dass ein Freiberufler nach Beendigung des Projekts direkt für den Endkunden tätig werden möchte. Dies ist ihm aber häufig aufgrund des vertraglichen Wettbewerbsverbots untersagt.

Setzt sich der Freiberufler über das Verbot hinweg, so geht er das Risiko ein, dass der Vermittler eine so genannte einstweilige Verfügung erwirkt, die dem Freiberufler mit sofortiger Wirkung und unter Androhung eines horrenden Bußgeldes untersagt, weiter für den Endkunden tätig zu sein. Das bedeutet, der Freiberufler verliert von heute auf morgen seine Verdienstgrundlage und muss sich ein anderes Projekt suchen, was „aus dem Stand" schwierig sein dürfte und existenzbedrohende Ausmaße annehmen kann.

Zwar stellen sich die meisten Wettbewerbsverbote bei längerfristigen Verträgen als unwirksam heraus – dies ist aber oft erst das Ergebnis eines langen Rechtsstreits. In dieser Situation kommt der Schutzschrift eine maßgebende und für den Freiberufler nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.

Wirkung der Schutzschrift

Wie der Name bereits ausdrückt, soll die Schutzschrift schützen – und zwar hier den Freiberufler gegen den Erlass einer einstweiligen Verfügung und damit gegen das unmittelbare Verbot des Tätigwerdens für den Endkunden.

Die einstweilige Verfügung wirkt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits, der unter Umständen mehrere Jahre dauern kann. Und selbst wenn der Freiberufler gute Aussichten hat, Recht zu bekommen und den durch die einstweilige Verfügung entstandenen Schaden geltend zu machen, hilft ihm dies akut nicht weiter. Abgesehen davon, dass die Motivation des Freiberuflers nach einem gerade beendeten Rechtsstreit sofort einen neuen Prozess zu beginnen, eher gering sein dürfte.

Die Schutzschrift muss die einem möglichen Rechtsstreit vorweggenommene Argumentation beinhalten, die dem eigentlichen Grund der einstweiligen Verfügung – hier das Wettbewerbsverbot – juristisch den Boden entzieht. Liegt dem Gericht eine gut begründete Schutzschrift vor, so wird es keine einstweilige Verfügung erlassen. Denn das Gericht prüft beim Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung lediglich kursorisch, ob die (für die beantragte einstweilige Verfügung) vorgetragenen Gründe plausibel erscheinen. Wenn dem so ist, gibt das Gericht dem Antrag statt.

Eine derartige Entscheidung ist aber nicht mehr möglich, wenn dem Gericht aufgrund der Schutzschrift die gegen die einstweilige Verfügung sprechenden Argumente bekannt sind. Unter diesen Umständen wird das Gericht den Antrag ablehnen. Zwar kann der Vermittler dennoch einen „normalen" Rechtsstreit um die Frage des Wettbewerbsverbots beginnen – der Freiberufler kann dann aber dennoch weiterhin tätig sein.

Formalien der Schutzschrift

Die Schutzschrift muss an alle in Betracht kommenden Gerichte gesandt werden! Regelmäßig sind dies die Amts- und Landgerichte am Sitz des Vermittlers und am Sitz bzw. Wohnort des Freiberuflers. Unter Umständen sollten weitere Gerichte mit der Schutzschrift versorgt werden, beispielsweise wenn das Projekt weder am Sitz des Vermittlers noch des Freiberuflers stattfindet.

Die Gerichte, die die Schutzschrift erhalten, registrieren und archivieren diese für den Fall des Antrags auf eine einstweilige Verfügung. Kosten entstehen dadurch nicht.

Fazit

Ob eine Schutzschrift sinnvoll oder gar notwendig ist, lässt sich nur im jeweiligen Einzelfall abschätzen. In der Regel wird sich der Vermittler gut überlegen, ob er dem Endkunden durch die von ihm beantragte einstweilige Verfügung einen Projektmitarbeiter von heute auf morgen entzieht. Die Geschäftsbeziehung zwischen Vermittler und Endkunden dürfte dies eher nicht vertiefen und festigen. Andererseits ist das Risiko für den Freiberufler stets latent vorhanden, da die Gründe des Vermittlers für eine einstweilige Verfügung nicht immer rational sind sondern auch aus persönlichen Eitelkeiten und Rachegefühlen resultieren können.

Im Übrigen ist die Wahrscheinlichkeit eines Rechtsstreits um das Wettbewerbsverbot – häufig verbunden mit dem Streit um die letzte noch offene Rechnung des Freiberuflers, die der Vermittler nicht zahlt – sehr hoch. So gesehen ist der Aufwand der Schutzschrift im Prinzip häufig nur vorweggenommen, so dass im regulären Rechtsstreit die entsprechenden Argumente nur wiederholt werden müssen. Und das für die Schutzschrift gezahlte Rechtsanwaltshonorar wird normalerweise verrechnet.

Freiberufler als Autodidakt

Der IT-Freiberufler als Autodidakt und die Frage nach den „Kernbereichen" der Informatik

1. Einleitung

Selbständige in der IT ohne einschlägigen Studienabschluss, die nicht gewerblich sondern freiberuflich tätig sein möchten, müssen zwei Hürden überwinden:

Sie müssen darlegen bzw. glaubhaft machen, dass

1. sie die einem Informatiker vergleichbaren Kenntnisse besitzen und

2. sie eine ingenieurvergleichbare Tätigkeit ausüben.

Beide Anforderungen ergeben sich aus der Rechtsprechung des BFH (Bundesfinanzhof) zu § 18 EStG (Einkommensteuergesetz), der die gesetzlichen Regelungen für freiberufliche und damit nicht gewerbesteuerpflichtige Tätigkeiten und Berufe (die so genannten Katalogberufe) enthält.

Insbesondere zur Voraussetzung der vergleichbaren Kenntnisse wird sehr häufig - vor allem von den Finanzämtern - eine jüngere Entscheidung des BFH zitiert, die diese Anforderungen angeblich erhöht und damit erschwert hat.

Wie der nachfolgende Beitrag zeigt, ist dem nicht so!

2. Urteil des BFH vom 18.04.2007 (Az. XI R 29/06; BStBl II 2007, 781)

2.1 Der Leitsatz

In dieser Entscheidung trifft der BFH folgende Aussage: „Weist ein Steuerpflichtiger, der über keinen Abschluss an einer (Fach-)Hochschule oder Bergakademie verfügt und als Systemberater auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung selbstständig tätig ist, nicht nach, dass er in Breite und Tiefe das Wissen eines Diplom-Informatikers hat, ist er gewerblich tätig. Vertiefte Kenntnisse auf einem Teilgebiet des Fachstudiums reichen für eine freiberufliche Tätigkeit nicht aus."

2.2 Der Hintergrund

Der Selbstständige war nach Abschluss der mittleren Reife und anschließendem Besuch einer kaufmännischen Privatschule seit 1972 kontinuierlich im IT-Bereich zunächst als Angestellter tätig und bildete sich durch Selbststudium und Teilnahme an diversen Seminaren entsprechend fort.

Im Jahr 1998 machte er sich dann selbstständig. Schwerpunkt seiner selbstständigen Tätigkeit war die Planung, Konstruktion und Überwachung von IT-Projekten bei Betrieben und der öffentlichen Verwaltung. Seine Tätigkeit umfasste die Installation verschiedenartiger SAP-Systeme, die Korrekturen von SAP-Systemen, die Einweisung und Beratung von Systemprogrammierern/Systemtechnikmitarbeitern in die DB2-Datenbankadministration, die Einrichtung und Verwaltung von allgemeinen DB2-Systemen, den Releasewechsel/Upgrade von DB2-Systemen, die Performance-Analyse und das Tuning von DB2-Systemen, die Unterstützung der Anwendungsentwicklung bei der Durchführung von Optimierungsmaßnahmen, die Erstellung standardisierter Sicherungs- und Wiederherstellungsverfahren und die Anpassung von DB2-Systemparametern/DB2-Systemdateien an die aktuellen Erfordernisse.

Im Rahmen des Klageverfahrens bestellte das FG (Finanzgericht) einen Sachverständigen zur Frage, ob die berufliche Tätigkeit des Selbständigen im Gesamtbild oder in einem abgrenzbaren Tätigkeitsbereich derjenigen eines an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatikers entspricht und somit als freiberufliche Tätigkeit zu qualifizieren sei.

Der Sachverständige gelangte zum Ergebnis, dass zwar nach den vorgelegten Unterlagen ein Vergleich mit den gesamten Kenntnissen eines Diplom-Informatikers (FH) wegen Fehlens insbesondere der mathematischen und hardwaretechnischen Komponenten nicht möglich sei. Jedoch sei mit guter Gewissheit davon auszugehen, dass die methodischen und praktischen Kenntnisse des Selbstständigen der analysierten Software und Unterlagen in dem abgegrenzten Fachgebiet "Systemsoftware-Technologie" mindestens dem Stand eines Absolventen eines Studienganges Diplom-Informatik (FH) entsprächen.

Das FG erkannte daraufhin den Selbstständigen als Freiberufler an. Das unterlegene Finanzamt legte gegen diese Entscheidung Revision ein, über die der BFH zu befinden hatte und die zu dem hier besprochenen Urteil führte.

2.3 Das Urteil

Der BFH hob das Urteil des FG auf, weil es die Voraussetzungen für eine Einstufung des Selbstständigen als Freiberufler als nicht ausreichend betrachtet.

Hierzu führt der BFH u.a. aus: „Setzt der Katalogberuf -- wie im Streitfall -- eine qualifizierte Ausbildung voraus, reicht entgegen der Auffassung des Klägers die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit allein nicht aus. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss der Steuerpflichtige auch über in Tiefe und Breite vergleichbare Kenntnisse verfügen."

2.4 Die Kernbereiche der Informatik

Der BFH spricht in seiner Entscheidung von den „Kernbereichen" eines Katalogberufs. Der BFH schweigt sich jedoch dazu aus, welches diese Kernbereiche für den Informatiker sein sollen.

Dies überrascht, da der BFH diese Kernbereiche in der Vergangenheit für die beiden Katalogberufe des Ingenieurs und des beratenden Betriebswirts definiert hat. Somit bleibt weiter offen, für welche konkreten Gebiete der Selbstständige sein Wissen belegen bzw. glaubhaft machen muss, wenn er sich mit einem Informatiker vergleicht.

Zwar nennt der BFH in seinem Urteil die Bereiche „Technologie von Systemsoftware" sowie „mathematische und hardwaretechnische Komponenten".

3. Quintessenz

Vor diesem Hintergrund bleibt die Frage nach dem Vergleichsmaßstab unbeantwortet. Das mag man bedauern – gleichzeitig bietet dies aber auch einen größeren Spielraum für die Darstellung bzw. Glaubhaftmachung des Wissens des Selbstständigen.

Jedenfalls - und dies lässt sich mit Bestimmtheit feststellen – führt dieses Urteil des BFH nicht zu einer Verschärfung der Anforderungen an Autodidakten in der Informatik. Der BFH klopft lediglich seine eigene Rechtsprechung fest. Nicht weniger – aber auch nicht mehr!

Freiheit - Gleichheit - Gerechtigkeit - Selbständige und freie Berufe im verfassungsrechtlichen Vergleich

Einleitung

Warum sind bestimmte Berufe frei (z. B. von der Gewerbesteuerpflicht)? Warum werden Selbstständige (steuer-)rechtlich unterschiedlich behandelt? Warum sind verschiedene Maßstäbe bei gleichen Tätigkeiten gerecht? Warum können die Einnahmen von Personengesellschaften (GbR) komplett als gewerblich eingestuft werden, auch wenn Mitglieder der GbR anerkannte.

Hierzu gibt ein neues Urteil des BVerfG (Bundesverfassungsgericht) Aufschluss und liefert gleichzeitig wichtige Argumente für Selbstständige, die als Freiberufler anerkannt werden wollen.

Entscheidung

Das BVerfG hat vor kurzem entschieden, dass es dem Gleichheitssatz vereinbar sei, dass die Einkünfte der freien Berufe, anderen Selbstständigen und der Land- und Forstwirte nicht der Gewerbesteuer unterliegen (BVerfG, Urteil vom 15.01.2008, Az. 1 BvL 2/04).

Außerdem sagt das BverfG, dass es nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt, dass nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (so genannte Abfärberegelung) die gesamten Einkünfte einer Personengesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten und damit der Gewerbesteuer unterliegen, wenn die Gesellschaft auch nur teilweise eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.

Gleichheit

Diese Entscheidung festigt verfassungsrechtlich die in § 18 EStG (Einkommensteuergesetz) geregelte Gewerbesteuerfreiheit der dort aufgezählten sogenannten Katalogberufe. Das Urteil beinhaltet aber zugleich eine ganze Reihe bemerkenswerter Ausführungen zur Begründung der steuerlichen Sonderstellung der freien Berufe gegenüber den anderen als gewerblich eingestuften Selbstständigen. Diese Argumente gelten meines Erachtens auch für Selbstständige in der Informatik ohne akademischen Abschluss.

Ausgehend vom allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG (Grundgesetz) „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ und der verfassungsrechtlichen Auslegung, wesentlich gleiches gleich und wesentlich ungleiches ungleich zu behandeln, kommt das BVerfG zu folgender Erkenntnis: „Zwar weisen die freien Berufe, die sonstigen Selbstständigen und die Land- und Forstwirte zunächst alle Merkmale auf, welche auch die der Gewerbesteuer unterliegenden Gewerbetreibenden kennzeichnen. Sie betätigen sich mit Gewinnerzielungsabsicht selbständig und nachhaltig und beteiligen sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die freien Berufe und die ihnen gleichgestellten sonstigen Selbstständigen werden daneben jedoch durch eine Reihe von Besonderheiten in der Ausbildung, der staatlichen und berufsautonomen Regelung ihrer Berufsausübung, ihrer Stellung im Sozialgefüge, der Art und Weise der Erbringung ihrer Dienstleistungen und auch des Einsatzes der Produktionsmittel Arbeit und Kapital geprägt, die sie in ihrem Typus als Berufsgruppe von den sonstigen Gewerbetreibenden unterscheiden … Damit bestehen zwischen freien Berufen, sonstigen Selbstständigen und der Land- und Forstwirtschaft auf der einen und Gewerbebetrieben nach § 15 Abs. 2 EStG auf der anderen Seite Unterschiede in der Typik. An diese knüpft der gewerbesteuerliche Zugriff an. So lässt sich insbesondere die Produktion von Waren oder Dienstleistungen des freiberuflich Tätigen, weil sie in besonderem Maße von seinen beruflichen Qualifikationen und der persönlich erbrachten Dienstleistung oder seiner individuellen Begabung als Künstler abhängt, nicht in gleicher Weise durch zusätzlichen Einsatz von Kapital und Arbeitnehmern steigern, wie dies bei Gewerbetreibenden grundsätzlich möglich ist“.

Und weiter heißt es in der Entscheidung: „Die im Regelfall akademische oder vergleichbare besondere berufliche Qualifikation oder schöpferische Begabung als Voraussetzung für die Erlernung und Ausübung eines freien Berufs, die besondere Bedeutung der persönlichen, eigenverantwortlichen und fachlich unabhängigen Erbringung der Arbeit, verbunden mit einem häufig höchstpersönlichen Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber, aber auch die spezifische staatliche, vielfach auch berufsautonome Reglementierung zahlreicher freier Berufe, insbesondere im Hinblick auf berufliche Pflichten und Honorarbedingungen, lassen bei der gebotenen typisierenden Betrachtung nach wie vor signifikante Unterschiede zwischen freien Berufen und Gewerbetreibenden erkennen".

Freiheit

Die Argumentation des BVerfG ist vor dem Hintergrund der in § 18 EStG genannten Berufe gerade auch für Selbstständige in der Informatik von Interesse. Waren ursprünglich (die erste Fassung dieser Regelung stammt aus dem Jahre 1935) nur die „klassischen" freien Berufe wie Ärzte, Rechtsanwälte und Notare erwähnt, so erweiterte sich dieser Katalog in Laufe der Jahrzehnte um zahlreiche weitere Berufe. Aktuell sind dies: „Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe" (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Es liegt auf der Hand, dass einige der vom BVerfG genannten Gründe der steuerlichen Privilegierung für die Berufe Heilpraktiker, Krankengymnast, Journalist und Bildberichterstatter nicht herangezogen werden können: Für keinen dieser Berufe ist eine akademische Ausbildung notwendig; einen definierten Berufsabschluss gibt es ebenfalls nicht. Dies gilt übrigens einschränkt auch für den in § 18 EStG genannten „beratenden Betriebswirt“ – abgesehen davon, dass dieser Begriff frei verwendet werden kann, ist auch hier eine akademische Ausbildung nicht zwingend notwendig.

Und auch das Argument des BVerfG „als allgemeiner Ausgangspunkt für die innere Rechtfertigung der Gewerbesteuer hat der Gedanke, dass die Gewerbesteuer einen pauschalen Ausgleich für die besonderen Infrastrukturlasten bietet, die durch die Ansiedlung von Gewerbebetrieben verursacht werden, nach wie vor Bestand" lässt sich ohne Schwierigkeiten auf IT-Selbständige anwenden. Dies trifft schließlich auch für die Aussage des BVerfG „die Annahme, dass die freien Berufe typischerweise in geringerem Umfang Infrastrukturlasten der Gemeinden verursachen als die Gewerbetreibenden, liegt nahe" zu. Selbstständige in der IT erbringen ihre Leistungen typischerweise meist überhaupt nicht in der Gemeinde, in der sie wohnen. Im Gegensatz dazu belastet beispielsweise sicherlich jeder Arzt, der unstreitig als freier Beruf gilt, aufgrund seines Patientenaufkommens in erheblich höherem Maße die Gemeinderessourcen.

Nach alledem stellt sich die Quintessenz dieser Entscheidung des BVerfG folgendermaßen dar: Die verfassungsrechtlichen Argumente für die Gewerbesteuerbefreiung der freien Berufe gelten ebenso für Selbstständiger in der IT. Dies gilt auch und gerade unter dem Aspekt der von den Gerichten angewendeten „Typisierung der Sachverhalte", das heißt die Anwendung genereller Regeln, die Besonderheiten des Einzelfalls unberücksichtigt lässt. Selbstständige in der IT gehören demnach ganz eindeutig in die Kategorie „freier Beruf".

Da alle staatlichen Stellen – wie z. B. Finanzämter und Gerichte – das Grundgesetz zu beachten haben, sollte diese Entscheidung des BVerfG in einem Verfahren um den Status als Freiberufler nicht unerwähnt bleiben. Sie kann zwar die steuerrechtliche Argumentation nicht ersetzen, untermauert jedoch verfassungsrechtlich die Position des Selbstständigen und macht zudem die überholte Steuergesetzgebung und dazugehörige Rechtsprechung deutlich.

Wenn mehrere natürliche Personen sich zusammentun, um gemeinsam unternehmerisch tätig zu werden und entsprechend nach außen hin auftreten, bilden sie qua Gesetz (automatisch) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auch GbR oder BGB-Gesellschaft genannt.

Hier liegt - neben haftungsrelevanten Aspekten - das steuerliche Risiko darin, dass schon ein äußerst geringer Anteil gewerblicher Einkünfte die Einkünfte der GbR insgesamt der Gewerbesteuer unterwirft. Beispiel: 3 Personen sind in einer GbR tätig. 2 Gesellschafter sind Diplom-Informatiker, 1 Gesellschafter hat keinen einschlägigen Abschluss. Werden die Einnahmen der beiden Diplom-Informatiker als freiberuflich eingestuft unterliegen diese nicht der Gewerbesteuer. Wird allerdings der dritte Gesellschafter nicht als Freiberufler, sondern als gewerblich beurteilt, führt dies dazu, dass die gesamten Einnahmen der GbR als gewerblich gelten und somit auch auf Einnahmen der beiden anderen Gesellschafter Gewerbesteuer zu zahlen ist.

Diese gesetzliche Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG hat das BVerfG nun für verfassungsgemäß erklärt: „Die Personengesellschaft kann die drohende Erstreckung der Gewerbesteuer auf Einkünfte aus anderen Einkunftsarten und die entsprechende Verstrickung der zugehörenden Vermögenswerte weitgehend risikolos und ohne großen Aufwand durch Gründung einer zweiten personenidentischen Schwestergesellschaft vermeiden" (BVerfG, Urteil vom 15.01.2008, Az. 1 BvL 2/04).

Aufgrund des relativ einfachen Auswegs habe eine Personengesellschaft die Möglichkeit, dieses Risiko zu vermeiden: „Die formfrei mögliche Gründung einer Schwestergesellschaft bürgerlichen Rechts oder die sich rein tatsächlich vollziehende Auslagerung einer Tätigkeit in ein Einzelunternehmen verlangt nicht mehr als eine klare, buchhalterisch dokumentierte, wirtschaftliche Trennung zwischen gewerblicher und nichtgewerblicher Tätigkeit". (BVerfG vom 15.01.2008).

Dies setzt jedoch voraus – möchte ich hinzufügen - dass den Beteiligten diese Rechtslage bekannt ist!

Fazit

Viele der vom BVerfG genannten Argumente passen exakt auf Selbstständige in der IT. Sie erfüllen die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen eines freien Berufs und unterscheiden sich teilweise überhaupt nicht von den im Gesetz genannten Katalogberufen.

Zwar wirkt diese Entscheidung des BVerfG nicht unmittelbar, beispielsweise auf ein finanzgerichtliches Verfahren oder ein Einspruchsverfahren beim Finanzamt. Da aber gerade auch dieses Stellen verfassungsrechtliche Aspekte zu beachten haben, sollten diese Argumente in einer Auseinandersetzung um die Frage der Anerkennung als Freiberufler nicht fehlen.

Renaissance der Scheinselbständigkeit

Einleitung

In den vergangenen Jahren hatte die DRB (Deutsche Rentenversicherung Bund) ihren Focus eindeutig auf die Jagd nach Selbstständigen mit einem Auftraggeber und der daraus resultierenden Rentenversicherungspflicht gerichtet.

Dies war insbesondere darin begründet, dass die ursprünglich im Gesetz enthaltenen Kriterien für die Annahme einer Scheinselbstständigkeit bzw. Arbeitnehmereigenschaft im Jahre 2003 wieder gestrichen wurden.

Da somit der DRB in jedem Einzelfall wieder die volle Beweisführung oblag, richtete sich das Interesse der DRB auf die Rentenversicherungspflicht, die – zumindest nach der Papierform – leichter zu beweisen ist.

Seit einiger Zeit stelle ich nun fest, dass die DRB ganz offensichtlich das Thema Scheinselbstständigkeit wieder entdeckt hat und verstärkt versucht, Selbstständige in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu definieren.

Kriterien pro und kontra Selbstständigkeit!

Da es – wie oben bereits erwähnt – die ehemals im Gesetz enthaltenen 5 Kriterien nicht mehr gibt, reduziert sich die aktuelle gesetzliche Regelung auf folgende Definition: „Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers" (§ 7 Abs. 1 SGB IV).

Demnach kann also selbst bei einer Eingliederung und Weisungsgebundenheit nicht zwangsläufig eine abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angenommen werden: Beide Aspekte werden vom Gesetzgeber explizit lediglich als „Anhaltspunkte" bezeichnet.

Dies korrespondiert mit der Rechtsprechung des BAG (Bundesarbeitsgericht) und des BSG (Bundessozialgericht). Beide Gerichte haben mit ihrer Rechtsprechung über Jahrzehnte eine Vielzahl von Kriterien pro und kontra Selbstständigkeit formuliert.

Für eine selbstständige Tätigkeit spricht beispielsweise, dass der Selbstständige

  • nicht seine Arbeitskraft im Allgemeinen, sondern sein Know-how für einen bestimmten Zeitraum anbietet
  • in der Wahl des Orts und der Zeit der Leistungserbringung grundsätzlich frei ist
  • sein Honorar je Auftrag neu verhandelt und vertraglich nicht gebunden ist
  • die freie Wahl der Aufträge und des Auftraggebers hat und Aufträge auch ablehnen kann
  • seinen Auftrag weitgehend selbständig erfüllt und vertragliche Vorgaben lediglich einen Rahmen bilden
  • sein Honorar nur bei tatsächlicher Leistungserbringung und nicht im Falle einer Erkrankung oder bei Abwesenheit (Urlaub) erhält
  • nicht in ein Zeiterfassungssystem des Auftraggebers bzw. Kunden einbezogen ist
  • keine Mitarbeiter-Vergünstigungen erhält
  • selbst Kapital für die eigene Ausstattung (Computer, Notebook, Software, Online-Anschluss, Telefon, Pkw) einsetzt
  • seine eigenen Fortbildungen selbst finanziert
  • das unternehmerische Risiko trägt, bezüglich eventueller Mängel der Leistung sowie hinsichtlich der Haftung
  • eigene Visitenkarten sowie eigenes Briefpapier mit Logo verwendet
  • ständig Kontakte zu Vermittlern und potentiellen Auftraggebern pflegt
  • unternehmerisch auftritt und sich und seine Leistungen anbietet (eigene WebSite, Profil in Beraterdatenbanken etc.).

Diese und weitere Aspekte muss die DRB eigentlich in jedem Einzelfall prüfen und bewerten. Tatsächlich zeigt die Praxis, dass die oben erwähnten 5 Kriterien zwar längst aus dem Gesetz verschwunden sind, in den Köpfen vieler Mitarbeiter der DRB aber ganz offensichtlich noch weiterleben. So wird z.B. immer mal wieder danach gefragt, ob der Selbstständige für seinen aktuellen Auftraggeber zuvor als Arbeitnehmer tätig war oder ob der Auftraggeber des Selbstständigen andere fest angestellte Mitarbeiter hat, die eine dem Selbstständigen vergleichbare Tätigkeit ausüben - beides Bezüge zu ehemaligen gesetzlichen Kriterien.

Fallbeispiel 1

Dieses aktuelle Mandat betrifft einen Selbstständigen, der bereits seit über 20 Jahren im IT-Bereich selbständig tätig ist und dabei eine Vielzahl verschiedener Auftraggeber hatte. Und auch in dem von der DRB als sozialversicherungspflichtig betrachteten Zeitraum war der Selbstständige für 2 Auftraggeber parallel tätig, bei denen es sich jeweils um Unternehmensberatungen handelte. Endkunde war hier eine Bank. Die von der DRB inkriminierte Tätigkeit übte der Selbstständige über 5 Monate an 3 Tagen in der Woche aus. Aus nahe liegenden Gründen fand die Tätigkeit in den Räumen der Bank statt; der Selbständige war dabei nicht in das Zeiterfassungssystem des Unternehmens eingebunden.

Die DRB begründete Ihre Auffassung, dass hier ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliege ausschließlich mit dem Argument, der Selbstständige sei in die betriebliche Organisation der Bank eingegliedert und unterliege deren Weisungen.

Fallbeispiel 2

In diesem ebenfalls aktuellen Mandat geht es um einen Selbstständigen, der von 2001 bis 2006 drei verschiedene Auftraggeber hatte. Seit 01/2006 bis 12/2007 war der Selbstständige für einen Auftraggeber tätig. Die DRB sieht hier das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als gegeben an und erließ einen entsprechenden Bescheid.

Hauptargumente der DRB sind in diesem Fall - neben der Aspekte Eingliederung und Weisungsgebundenheit – die Behauptungen, der Selbstständige würde ohne eigenen Kapitaleinsatz tätig werden und seine Leistungen würden einen Honoraranspruch begründen, so dass er ohne (Einkommens-)Risiko tätig sei.

Abwehr der Angriffe der DRB!

Diese aktuellen Fallbeispiele zeigen, dass die DRB mit (fast) allen Mitteln bzw. Argumenten – und seien diese noch so einseitig ausgerichtet und teilweise geradezu absurd – versucht, Selbstständige zu Arbeitnehmern und Auftraggeber bzw. Endkunden zu Arbeitgebern zu machen.

Wie können sich nun Selbstständige nun gegen diese Angriffe der DRB zur Wehr setzen?

Zunächst einmal kommt in diesem Zusammenhang den Verträgen eine erhebliche Bedeutung zu. Hierin sollten keine Regelungen und Formulierungen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen könnten, enthalten sein. Grundsätzlich gilt: Je weniger geregelt ist, desto besser. Ich halte daher im Übrigen die häufig verwendeten Präambeln, wonach die Vertragsparteien bewusst keinen Arbeitsvertrag begründen wollen, jeder Partei für sich selbst verantwortlich sei etc. nicht für hilfreich, sondern eher für kontraproduktiv. Derartige Formulierungen stoßen die DRB geradezu mit der Nase darauf, dass die Parteien es offensichtlich für möglich halten, dass ihr Vertrag als Arbeitsvertrag interpretiert werden könnte; abgesehen davon, dass solche Absichtserklärungen ohnehin kaum rechtliche Wirkung entfalten.

Neben der vertraglichen Seite kommt der praktischen Ausgestaltung der Tätigkeit große Bedeutung zu. Wie wird der Vertrag gelebt? Wie sieht die konkrete Ausübung der Tätigkeit aus? Welche Rahmenbedingungen werden seitens des Endkunden gesetzt? Worin unterscheidet sich die Tätigkeit des Selbstständigen von denen der festen Mitarbeiter des Endkunden?

Der Selbstständige sollte versuchen, seine besondere Rolle und Position deutlich zu machen und zu dokumentieren. So belegen beispielsweise Stundenaufschreibungen mit unregelmäßigen Stundenzahlen eine individuelle Ausgestaltung der Arbeitszeit. Auch sollten – sofern möglich – Tätigkeiten nicht nur beim Endkunden vor Ort, sondern zu Hause oder im eigenen Büro erbracht werden.

Absicherung der Selbstständigen oder Absicherung der Rentenkasse?

Die DRB weist immer wieder darauf hin, dass die Rentenbeitragszahlungen der Absicherung der Selbstständigen fürs Alter dienen und daher in deren Sinne sind.

Dazu schreibt die DRB schreibt in ihrer Broschüren „Selbstständig – wie die Rentenversicherung Sie schützt" u. a.: „Wer per Gesetz oder freiwillig in der Rentenversicherung ist, profitiert von einem umfassenden Leistungspaket, das

Das klingt gut! Aber was bedeutet dies für Selbstständige konkret?

Gemäß § 50 SGB VI beträgt die Wartezeit – das heißt die Voraussetzung für den Bezug von Rente - mindestens 5 Jahre. Regelmäßig werden Selbstständige aber nur für einen bestimmten Zeitraum zu Zahlungen verpflichtet, der aufgrund der Verjährungsfristen maximal 4 Jahre betragen kann. Sofern ein Selbstständiger demnach zu Zahlungen verpflichtet wird, wären diese für ihn verloren; es sei denn, er zahlt „freiwillig" weiter Beiträge an die DRB.

Aber selbst dann wird diese Zwangsbeglückung den Selbstständigen nicht wirklich absichern können, sondern bestenfalls zu Zahlungen der DRB führen, die in die Kategorie „Taschengeld" fallen.

Ein Zitat der DRB!

Und abschließend noch ein Originalzitat aus einem Schreiben der DRB aus einem sozialgerichtlichen Verfahren, bei dem es für den Kläger - zurzeit 37 Jahre alt - um die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für einen Zeitraum von drei Jahren in Höhe von ca. 8.000,00 EUR geht. Ich hatte die Anfrage gestellt, welche Rentenansprüche der Kläger für seine Leistungen erwerben würde. Antwort der DRB: „Ob der Kläger einen Anspruch auf Regelaltersrente erwirbt, wird erst bei Vollendung des 67. Lebensjahres zu prüfen sein".

Hierzu verbietet sich meines Erachtens jeglicher weiterer Kommentar!

Fazit

Die Praxis der DRB in Sachen Scheinselbstständigkeit hat sich von der gesetzgeberischen Intention des sozialrechtlichen Schutzes bestimmter Selbstständiger ganz offenkundig Lichtjahre entfernt. Es geht nicht mehr darum, wirklich schutzbedürftigen Scheinselbstständigen zu einem ordentlichen abgesicherten Arbeitsverhältnis zu verhelfen, sondern um das Einkassieren möglichst vieler und hoher Beiträge zur Stützung des maroden, permanent einsturzgefährdeten Rentensystems zu werfen.

Dies ist eine wie ich meine, sehr eigenwillige Auslegung des Solidaritätsprinzips, der sich Selbstständige gerade und insbesondere in der IT mit allen legalen Mitteln entziehen sollten. Denn diese haben einerseits ohnehin meist privat fürs Alter vorgesorgt und sind andererseits – wie wohl auch alle anderen vernunftbegabten Menschen – nicht bereit, einen Teil Ihrer Einnahmen einfach aus dem Fenster, oder besser hier: in das große schwarze Loch namens gesetzliche Rentenversicherung.

IT-GbR als Freiberufler

Vorbemerkung

Häufig schließen sich in der IT mehrere Selbstständige zu einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) zusammen und treten entsprechend am Markt auf. Stellt dann das Finanzamt fest, dass ein Gesellschafter nicht als freiberuflich einzustufen ist, so führt dies dazu, dass die Gesellschaft insgesamt und somit auch die gesamten Einkünfte aller Gesellschafter als gewerblich qualifiziert werden. Gleiches gilt, wenn im Rahmen der GbR einzelne Tätigkeiten ausgeübt werden, die als gewerblich gelten. Auch wenn die daraus erzielten Einnahmen nur äußerst gering sind, führt dies zur gewerblichen „Infektion" der gesamten Einnahmen! Eine aktuelle finanzgerichtliche Entscheidung zeigt auf, wie dieser Effekt vermieden werden kann. 

Der Fall

Im Jahre 1998 gründen ein Diplom-Mathematiker und ein Diplom-Physiker die Software GbR und entwickeln Software im medizinischen Bereich. Im Jahre 1999 gründen sie dann die Handels GbR für den Vertrieb von Hardware bzw. Komplettsystemen, insbesondere mit der von ihnen im Rahmen der Software GbR hergestellten Software.

Die Handels GbR tritt gegenüber dem Kunden auf und liefert Hard- und Software. Die Software GbR stellt der Handels GbR die Software in Rechnung. Diese fügt Hardware hinzu und verkauft das fertige Endprodukt an den Kunden.

Die Software GbR und die Handels GbR teilen sich ein Bankkonto. Es werden getrennte Bücher geführt, getrennte Jahresabschlüsse erstellt und getrennte Steuererklärungen abgegeben. Die Handels GbR ist beim Finanzamt angemeldet und hat eine eigene Steuernummer.

Ansicht des Finanzamts

Das Finanzamt ist nach Durchführung einer Betriebsprüfung der Auffassung, die Einnahmen der Software GbR seien gewerblich, da die Gesellschafter weder Ingenieure noch Diplom-Informatiker sind und keine dem Ingenieur ähnliche Tätigkeit ausüben. Außerdem bestehe die von der Software GbR entwickelte Software letztlich aus einzelnen Modulen, die als einmal entwickeltes Produkt lediglich in modifizierter Form mehrmals verkauft werden, was mit einem Fertigungsbetrieb, der gewerbliche Einkünfte erziele, vergleichbar sei.

Weiterhin ist das Finanzamt der Meinung, dass mit der Handels GbR keine echte zweite Personengesellschaft gegründet worden sei, denn diese sei nach außen nur bedingt erkennbar geworden. Die Handels GbR sei zwar eigenständig aufgetreten – allerdings seien Rechnungen und Briefbögen gleich aufgebaut und enthielten zum Teil identische Angaben. Die Leistungen der Software GbR und der Handels GbR seien nicht ohne weiteres voneinander trennbar und zudem würden die Tätigkeiten beider Gesellschaften in denselben Räumlichkeiten stattfinden. Und auch das gemeinsame Bankkonto spräche gegen getrennte Gesellschaften.

Nachdem das Einspruchsverfahren erfolglos verlief und das Finanzamt eine Einspruchsentscheidung erließ, klagten die Gesellschafter der Software GbR vor dem Finanzgericht.

Ansicht des Finanzgerichts

Das sächsische Finanzgericht kam dabei zu einem anderen Ergebnis als das Finanzamt und entschied diesen Fall im Sinne der Software GbR bzw. deren Gesellschafter. Es stufte mit seinem Urteil vom 27.08.2008 (Az. 4 K 1375/06, rechtskräftig) die Tätigkeit als freiberuflich ein, da beide Gesellschafter aufgrund ihrer Studienabschlüsse die einem Ingenieur vergleichbaren Kenntnisse aufwiesen. Auch die Entwicklung der Software qualifizierte das Finanzgericht als freiberuflich: Es handele sich um komplexe Anwendersoftware, die in einer ingenieurmäßigen Vorgehensweise (Planung. Konstruktion, Überwachung) entwickelt werde. Auch habe die Software GbR nicht nur einmalig Software entwickelt, sondern diese permanent verändert und weiterentwickelt.

Und schließlich sei mit der Handels GbR wirksam eine zweite Gesellschaft gegründet worden, da diese im Rechtsverkehr gegenüber Dritten eigenständig aufgetreten sei und eine von der Software GbR abgrenzbare eigene Tätigkeit entfaltet habe.

Zwar sei das gemeinsame Bankkonto ein Beweisanzeichen, das gegen die Trennung beider Gesellschaften spreche – allerdings war selbst nach Angaben des Finanzamts eine eindeutige Zuordnung der Geschäftsvorfälle beider Gesellschaften z. B. im Rahmen der Betriebsprüfung ohne weiteres möglich.

Fazit

Dieses Urteil bestätigt zum einen die besondere Problematik der GbR-Konstruktion gerade im IT-Bereich und macht gleichzeitig deutlich, dass es dafür eine im Grunde einfache Lösung gibt: Die Gründung einer zweiten quasi „Gewerbe"-GbR. Dies darf personenidentisch mit der „Freiberufler"-GbR ansonsten aber von dieser klar getrennt sein. So sollten beispielsweise – im Gegensatz zum oben dargestellten Fall – stets verschiedene Bankkonten verwendet werden. Und auch der Außenauftritt beider Gesellschaften sollte sich deutlich voneinander unterscheiden.

Somit können eindeutig gewerbliche Tätigkeiten oder als solche vermutete in die „Gewerbe"-GbR ausgelagert werden, um den Status der „Freiberufler"-GbR nicht zu gefährden.

Vor diesem Hintergrund sollte jede IT-GbR ihre steuerrechtliche Situation kritisch überprüfen.

Freiberuflicher Informatik-Ingenieur

Neue Chancen für die Freiberuflichkeit im IT-Bereich! Der Bundesfinanzhof definiert den Begriff der ingenieurmäßigen Tätigkeit neu.

Vorbemerkung

Der BFH (Bundesfinanzhof) hat in drei von mir vertretenen Fällen selbstständiger IT-Berater wegen der steuerlichen Beurteilung als gewerblich oder freiberuflich nunmehr zu Gunsten meiner Mandanten entschieden und dabei den Begriff der ingenieurmäßigen Tätigkeit neu bzw. deutlich erweitert definiert. Damit eröffnen sich für sehr viele Selbstständige im IT-Bereich ganz neue Chancen für die Einstufung als Freiberufler. 

1. Fall (BFH, Urteil vom 22.09.2009, Az. VIII R 79/06)
Sachverhalt

Der Selbstständige absolvierte nach der mittleren Reife eine Ausbildung an der höheren Handelsschule mit dem Wahlpflichtbereich Datenverarbeitung (DV) und legte dort im Jahr 1981 erfolgreich die Prüfung zum „Staatlich geprüften Wirtschaftsassistenten DV“ ab. Anschließend war er in angestellter Position bis 1986 zunächst als Organisations- und dann als Systemprogrammierer tätig. Ab 1986 war der Selbstständige auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) berufstätig. Er nahm, wie schon bisher, an einschlägigen Lehrgängen und Seminaren teil. Während der Streitjahre 1998 und 1999 war der Selbstständige für verschiedene Unternehmen als Subunternehmer tätig. Aufgrund der abgeschlossenen Verträge hatte der Selbstständige für ein anderes Unternehmen eine Systemberatung zu erbringen. Diese Aufgabe umfasste u.a. die fachliche Leitung des Projekts, die Auswahl und Einweisung neuer Projektmitarbeiter, die Überprüfung der Leistungen und Sicherstellung des wöchentlichen Reportings, das Erstellen von Projektplänen und die Leitung von Besprechungen sowie die Mitarbeit bei der Definition und der vertraglichen Vereinbarung der Folgephasen. Bei diesem Projekt waren fünf Lieferanten von DV-Komponenten zu koordinieren, um Kataloge (später auch einen Web-Auftritt) bestehend aus Textvorgaben des Einkaufs und Bildern des Werbebereichs zu erstellen. Als Subunternehmer war der Selbstständige des Weiteren als Gesamtprojektleiter für eine Bank tätig. Hier ging es darum, etwa 6.000 neue Personal Computer und Notebooks zu tauschen und diese Hardwareeinheiten über Verteilungsskripte mit Software auszustatten. Eine weitere Subunternehmertätigkeit entfaltete der Selbständige schließlich für ein weiteres Unternehmen, wobei seine Aufgabe dabei darin bestand, die Projektleitung eines aus Kunden des Unternehmens gebildeten Teams zur genauen Ausarbeitung eines Service-Level-Agreements zu übernehmen. Dieses Projekt diente der Entwicklung eines SAN (Storage Area Network).

Rechtslage

Das Finanzamt stufte diese Tätigkeiten als gewerblich ein. Das FG (Finanzgericht) schloss sich im Ergebnis an, da es die Tätigkeit als Leiter komplexer Datenverarbeitungsprojekte nicht als ingenieurähnlich ansah.

Der BFH hob nun dieses Urteil auf. Er beurteilt die Tätigkeit des Selbstständigen als die eines Informatik-Ingenieurs. Hierzu führt er u. a. aus: „Der Kläger war in den Streitjahren auch wie ein Ingenieur tätig. Die für seinen Beruf prägenden Tätigkeiten waren mit für den Beruf eines Informatik-Ingenieurs typischen Tätigkeiten im Wesentlichen vergleichbar. Welche Aufgaben für den Beruf des Ingenieurs i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG typisch sind, bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung und unterliegt insoweit umfassender revisionsrechtlicher Nachprüfung. … Eine Tätigkeit als Ingenieur zeichnet sich dadurch aus, dass sie durch die Wahrnehmung von für den Ingenieurberuf typischen Aufgaben geprägt wird. Zu den Aufgaben eines Ingenieurs gehört es, auf der Grundlage naturwissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen.“

Und weiter allgemein: „Typisch für den Beruf des Ingenieurs sind aber auch überwachende, kontrollierende und rein beratende Tätigkeiten, soweit sie nicht auf bloße Absatzförderung gerichtet sind. Kernbereiche des Ingenieurberufs sind danach Forschung und Lehre, Entwicklung, Konstruktion, Planung, Fertigung, Montage, Inbetriebnahme und Instandhaltung, Vertrieb, Beratung, Versuchs- und Prüfungswesen, technische Verwaltung und Betriebsführung, Produktions- und Prozesssteuerung, Sicherheit, Patent- und Normenwesen.“

Und weiter für den IT-Bereich:“Auf dem Gebiet der EDV und der Informationstechnik gehören zu den Tätigkeiten von Ingenieuren nicht nur die Entwicklung und Konstruktion von Hard- und Software. Die Tätigkeit eines Ingenieurs umfasst auch die Entwicklung von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden, die rechnergestützte Steuerung, Überwachung und Optimierung industrieller Abläufe, den Aufbau, die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und -servern, die Anpassung vorhandener Systeme an spezielle Produktionsbedingungen und Organisationsstrukturen sowie die Bereitstellung qualifizierter Dienstleistungen, wie etwa Benutzerservice und Schulung. Informatik-Ingenieure arbeiten u. a. auch in der Netz- und Systemadministration, sie beurteilen die Leistungsfähigkeit von Rechnernetzen oder bewerten die Energieeffizienz bestehender Systeme“.

Bezüglich des Selbstständigen kommt der BFH damit zum Ergebnis: „Der Kläger war auf einem typischen Betätigungsfeld von Informatik-Ingenieuren, nämlich der IT-Projektleitung berufstätig. Bei den vom Kläger betreuten Projekten handelte es sich um hochkomplexe Datenverarbeitungsprojekte. Dabei ging es in erster Linie um die technische Realisierung der Vorhaben. Der Kläger hatte die technische Oberleitung der Arbeiten und die Verantwortung für die technische Realisierung. Dem FG-Urteil ist zu entnehmen, dass diese Aufgabe nur einer Person anvertraut werden konnte, die über besonders fundierte Fachkenntnisse und ein entsprechendes Fachwissen im Bereich der EDV verfügte. Der Kläger ist damit wie ein projektleitender Ingenieur tätig geworden.“

Und weiter schreibt der BFH in seinem Urteil: „Dass die vom Kläger geleiteten Projekte wegen ihres Umfangs und aufgrund ihrer Schwierigkeit von einem Team bearbeitet wurden, ist unschädlich. Freiberufliche Leistungen können grundsätzlich im Wege der Teamarbeit erbracht werden. Die Anerkennung freiberuflicher Teamarbeit setzt voraus, dass der - eigenverantwortlich und leitend i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätige - Projektverantwortliche neben Fachkenntnissen über weitere Fähigkeiten verfügt, die nicht auf fachlichem oder technischem Gebiet liegen. Dass von einem IT-Projektleiter oder einem Projektingenieur zusätzlich Managementleistungen und soziale wie kommunikative Fähigkeiten verlangt werden, macht ihn nicht zum Gewerbetreibenden.“

2. Fall (BFH, Urteil vom 22.09.2009, Az. VIII R 63/06)
Sachverhalt

Der Selbstständige besuchte eine Fachschule für elektronische Datenverarbeitung (EDV). Mit Erfolg legte er dort die staatliche Prüfung zur Betriebswirt-EDV ab. Anschließend war er bei einem Großversandhaus und bei einem Computer-Hersteller im Bereich der Systemanalyse, Systemberatung, Systemtechnik und Systemprogrammierung tätig. Ab dem Jahre 1980 arbeitete er als Systemprogrammierer bei einer Tochtergesellschaft dieses Unternehmens. 1991 machte er sich unter der Bezeichnung Unternehmensberater auf dem Gebiet des EDV-Consulting/Software-Engineering selbstständig. In den Streitjahren 1991 und 1992 betreute er selbstständig aufgrund eines Software-Partnervertrags Kunden, die Systemsoftware der Firma Nixdorf erworben hatten. Diese Tätigkeit bestand in der Regel darin, Betriebssysteme und Datenübertragungssysteme dieses Unternehmens zu installieren und einzurichten oder auf neue Betriebssysteme umzustellen. Im Jahr 1991 leistete der Kläger zudem Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Labor der Firma IBM.

Rechtslage

Das Finanzamt ging von einer gewerblichen Tätigkeit aus und setzte mit den angegriffenen Bescheiden Gewerbesteuermessbeträge fest. Vor dem FG (Finanzgericht) erzielte der Kläger einen Teilerfolg. Das FG stellte fest, dass die im Labor der Firma IBM geleisteten Systemsoftwareentwicklungsarbeiten ingenieurähnlicher und damit freiberuflicher Art gewesen seien. Bei der Betreuung der Kunden, die Software der Firma Nixdorf nutzten, habe der Kläger jedoch nicht selbst Systemsoftware entwickelt. Insoweit sei er gewerblich tätig geworden.

Der BFH hob nun dieses Urteil auf. Dabei greift er auf die bereits im 1. Fall dargelegten Ausführungen zur Tätigkeit eines Ingenieurs im IT-Bereich zurück.

Ergänzend dazu führt er bezogen auf die konkrete Situation des Selbstständigen aus: „Der Kläger ist in einem wesentlichen Betätigungsfeld von Informatikern, nämlich dem der Entwicklung, Implementierung und Betreuung von Software, berufstätig gewesen. Neben der vom FG zu Recht als freiberuflich anerkannten Softwareentwicklungstätigkeit für die Firma IBM werden auch die Arbeiten, die der Kläger für Kunden verrichtet hat, die Software der Firma Nixdorf nutzten, noch vom Berufsbild eines Informatikers erfasst. Der Kläger hat zwar insoweit die Systemsoftware nicht selbst entwickelt, seine Tätigkeit hat sich aber auch nicht auf die reine Installation beschränkt. Vielmehr hat er die Software den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Soweit auf Systeme der Firma IBM umgestellt wurde, hat er auf Softwareentwicklungsarbeiten zurückgegriffen, für die er selbst im Rahmen des Sonderauftrages mit der Firma IBM mitverantwortlich zeichnete. Diese Tätigkeit ist der eines Ingenieurs vergleichbar, der ein technisches Werk zunächst konstruiert und das entwickelte Produkt später bei verschiedenen Kunden betriebsfertig installiert.“

3. Fall (BFH, Urteil vom 22.09.2009, Az. VIII R 31/07)
Sachverhalt

Der Selbstständige legte an der Berufsakademie Sachsen in der Studienrichtung technische Informatik die Abschlussprüfung erfolgreich ab. Er ist danach berechtigt, die Bezeichnung Diplom-Ingenieur (Berufsakademie - BA -) zu führen. Nach der Berufsausbildung war er auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) zunächst im Angestelltenverhältnis und später, so auch im Streitjahr 2003, selbständig berufstätig. Die Tätigkeit des Selbstständigen bestand im Einzelnen darin, Rechnernetzwerke durch Installation und Konfiguration von Windows-Software einzurichten, zu betreuen, Störungen im Netzwerk zu beheben und die eingesetzte Software im Einzelfall zu modifizieren. Außerdem hatte er das System gegen unbefugten Zugriff zu sichern. Die Überwachung der Server erfolgte mittels vom Selbstständigen selbst entwickelter Hilfs- und Dienstprogramme (Skripte). Als Systemadministrator oblag ihm die Anwendung der vorhandenen Hard- und Software.

Rechtslage

Das Finanzamt und das FG (Finanzgericht) beurteilten seine Tätigkeit als Gewerbebetrieb. Der BFH hob nun dieses Urteil auf. Dabei greift er auf die bereits im 1. Fall dargelegten Ausführungen zur Tätigkeit eines Ingenieurs im IT-Bereich zurück.

Ergänzend dazu führt der BFH bezogen auf die konkrete Situation des Selbstständigen aus: „Der Kläger hat eine freiberufliche Tätigkeit auch tatsächlich ausgeübt. Diese war davon geprägt, dass er für den freien Beruf des Informatik-Ingenieurs typische Aufgaben wahrgenommen hat. Er war unstreitig nicht fachfremd, sondern im Bereich der EDV berufstätig. Nach den bindenden Feststellungen des FG hat er als Systemadministrator Rechnernetze mit mehreren tausend Nutzern überwacht, optimiert, betreut und verwaltet. Er war zudem für die Fehleranalyse und -beseitigung verantwortlich. Derartige Tätigkeiten werden vom Berufsbild des Informatik-Ingenieurs erfasst.“

Ergebnis

Diese drei Entscheidungen des BFH setzen neue Maßstäbe in der Beurteilung Selbstständiger im IT-Bereich. Der Begriff der „ingenieurmäßigen“ und damit als freiberuflich qualifizierten Tätigkeiten wird erheblich ausgeweitet. Hiervon sind nunmehr nicht nur die Softwareentwicklung, sondern auch deren Anpassung, die rechnergestützte Steuerung, Überwachung und Optimierung industrieller Abläufe, der Aufbau, die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und –servern sowie der Benutzerservice und Schulung umfasst. Ferner dehnt der BFH die freiberuflichen Tätigkeitsfelder auf die Gebiete der Projektleitung und der Administration aus. Hinzu kommt, dass zwei der Selbstständigen ohne Studienabschluss und damit als Autodidakten als freiberuflich beurteilt wurden. Dies beweist einmal mehr, dass nicht nur Selbstständige mit Diplom als Freiberufler anerkannt werden können.

Allerdings verlangt der BFH von Autodidakten nach wie vor den Beleg für das mit einem Informatiker vergleichbare Wissen. Dies war in den oben genannten drei Fällen bereits vom Finanzgericht positiv festgestellt worden und nicht Gegenstand der Revisionsverfahren vor dem BFH.

Natürlich bleibt auch abzuwarten, wie die Finanzämter und Finanzgerichte mit diesen neuen Urteilen umgehen und diese interpretieren.

Festzustellen ist aber in jedem Fall, dass der BFH mit diesen Entscheidungen vielen Selbstständigen hinsichtlich ihrer steuerlichen Einstufung als freiberuflich vollkommen neue Chancen eröffnet hat. Chancen, die genutzt werden sollten!

IT-Berater nicht scheinselbstständig

IT-Freiberufler als selbstständig anerkannt Sozialgericht zieht Grenzen der Scheinselbstständigkeit

Vorbemerkung

Die Problematik der Scheinselbstständigkeit ist für IT-Freiberufler und deren Auftraggeber seit längerem wieder hochaktuell. Hierbei geht es um die Frage, ob zwischen dem Freiberufler und seinem Auftraggeber ein freies Mitarbeiterverhältnis oder eine abhängige Beschäftigung besteht. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) versucht hier seit langem - mit teilweise abstrusen Argumenten - aus freien Mitarbeitern Arbeitnehmer und aus Auftraggebern Arbeitgeber zu machen. Damit ist die DRB nunmehr in einem von mir geführten Verfahren vor dem Sozialgericht Wiesbaden gescheitert. 

Der Fall-Sachverhalt

Der Freiberufler war Anfang 2006 als freier Mitarbeiter über eine Unternehmensberatung für einen Endkunden im Bereich Konfigurations- und Releasemanagement tätig. Er hatte auf Wunsch des Auftraggebers gleich zu Beginn seiner Tätigkeit ein Statusfeststellungsverfahren bei der DRB beantragt. In diesem Zusammenhang gab der Freiberufler korrekt an, dass er für mehrere Auftraggeber tätig sei, aber mindestens 5/6 seiner Einkünfte aus der Tätigkeit für den aktuellen Auftraggeber beziehe und keine Arbeitnehmer beschäftige. Er wies weiter darauf hin, dass er nicht am Betriebssitz des Auftraggebers arbeite und keine regelmäßigen Arbeits- und Anwesenheitszeiten einzuhalten habe. Ihm würden keine Weisungen hinsichtlich der Art und der Ausführung seiner Tätigkeit erteilt und der Auftraggeber könne sein Einsatzgebiet nicht ohne seine Zustimmung ändern. Die Einstellung von Hilfskräften sei nicht von der Zustimmung des Auftraggebers abhängig. Seine unternehmerische Tätigkeit beschrieb er dahingehend, dass er eine selbständige Akquisition von Kunden betreibe, eine eigene Webseite unterhalte, eine eigene Entwicklungsumgebung aufgebaut habe, eigenes Kapital einsetze und eigene Fortbildungsmaßnahmen betreibe.

Als Anlage zum Statusfeststellungsantrag war der zwischen dem Freiberufler und seinem Auftraggeber geschlossene Dienstleistungsvertrag beigefügt. Dieser sah u. a. vor, dass der Freiberufler zwar eigene Mitarbeiter einsetzen darf, dies jedoch der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Auftraggebers bedarf und dass diese Zustimmung nicht unbillig verweigert werden darf. Außerdem heißt es in dem Vertrag, dass die Leistungserbringung durch den Freiberufler in enger und ständiger Abstimmung mit den Projektleitern des Auftraggebers und dem restlichen Projektteam erfolge, der Freiberufler dabei jedoch nicht in den Betriebsablauf des Auftraggebers eingebunden würde und der Auftraggeber gegenüber dem Freiberufler bzw. dessen Mitarbeitern keine unmittelbaren arbeitsrechtlichen Weisungsrechte hätten. Der genaue Zeiteinsatz des Freiberuflers werde jeweils rechtzeitig im Voraus mit der Projektleitung abgestimmt. Der Freiberufler bemüht sich, die vereinbarten Leistungen zu erbringen, jedoch sei kein Erfolg im Sinne eines Werkvertrages geschuldet; Vertragsbeginn war der 01.01.2006, als Vertragsende war der 01.06.2006 vorgesehen.

Rechtsauffassung der DRB im Bescheid …

Die DRB erließ dann Anfang 2007 einen Bescheid, wonach die Tätigkeit des Freiberuflers für den Auftraggeber seit dem 01.01.2006 im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfolge. Die DRB vertrat die Ansicht, der Freiberufler sei für den Auftraggeber als Berater tätig und seitens des Auftraggebers bestehe gegenüber dem Freiberufler ein Weisungsrecht. Die Arbeitszeit könne vom Freiberufler nicht eigenständig gestaltet werden, sondern sei im Voraus stets mit der Projektleitung und dem Projektteam abzustimmen. Das Honorar bemesse sich nach der Anzahl der geleisteten Arbeitstage. Die Arbeitskraft werde damit nicht mit ungewisser Aussicht auf Erfolg eingesetzt, da mit der Leistungserbringung ein Honoraranspruch begründet werde. Eigenes Kapital werde nicht eingesetzt. Ein unternehmerisches Risiko bestehe damit für den Freiberufler nicht. Dass der Freiberufler die Arbeitsleistung eigenständig erbringe, begründe keine selbständige Tätigkeit.

… und im Widerspruchsbescheid.

Den Widerspruch des Freiberuflers wies die DRB mit Widerspruchsbescheid Mitte 2007 zurück. Dabei führte sie an, dass der Freiberufler ausschließlich seine eigene Arbeitskraft einsetze und (Originalzitat) „funktionsgerecht dienend“ in einer fremden Arbeitsorganisation tätig sei. Der Freiberufler würde ausschließlich im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers tätig und erscheine nach außen als Mitarbeiter des Auftraggebers. Es bestehe eine wirtschaftliche Abhängigkeit zum Auftraggeber. Der Freiberufler sei außerdem bei der Ausführung eines Auftrags an terminliche und örtliche Vorgaben durch den Auftraggeber gebunden. Somit habe er keine Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der freien Wahl der Arbeitszeit und des Arbeitsortes. In den Verträgen seien so detaillierte Regelung getroffen worden, dass dem Freiberufler kein relevanter Spielraum verbleibe. Im Übrigen habe auch vorher ein Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber bestanden. Demgegenüber seien keine wesentlichen Änderungen eingetreten. Die Gesamtwürdigung führe daher zu der Bewertung der Tätigkeit des Freiberuflers als eine abhängige Beschäftigung. 

Rechtsauffassung des Sozialgerichts

Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob der Freiberufler im August 2007 Klage. Das Sozialgericht stellte nunmehr (im Jahre 2010!) fest: Die vom Freiberufler für den Auftraggeber ausgeübte Tätigkeit stellt sich als eine selbständige Tätigkeit dar. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer entsprechenden Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gegeben, wenn eine Tätigkeit nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Für die Frage, ob eine Tätigkeit selbständig ausgeübt wird oder im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erfolgt, sind jedoch neben den im Gesetz ausdrücklich genannten Anhaltspunkten auch noch andere Merkmale heranzuziehen, so dass die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV insgesamt auf einer Gesamtbewertung aller Umstände beruht. Diese Gesamtbewertung führt im vorliegenden Fall dazu, dass die seit 01.01.2006 vom Freiberufler für den Auftraggeber ausgeübte Tätigkeit als Berater als selbständige Tätigkeit anzusehen ist, die nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird.

Dass der Freiberufler u. a. Aufgaben koordinieren und dazu notwendigerweise mit den Projektleitern und mit den verschiedenen Mitarbeitern des Projektteams eng zusammenarbeiten muss, stehe einer selbständigen Tätigkeit nicht entgegen. Die Ausgestaltung des Dienstleistungsvertrags zeigt, dass er hinsichtlich seiner Arbeitszeit, seines Arbeitsortes und der Frage, wie er seine Tätigkeit ausübt, frei ist und keinen Weisungen unterliegt. Darüber hinaus kann er für seine Tätigkeit eigene Mitarbeiter einsetzen und muss auch nicht zwingend selbst tätig werden. Im Vertrag heißt weiterhin, dass der Freiberufler nicht in den Betriebsablauf seines Auftraggebers eingebunden ist. Zwar heißt es im Vertrag auch, dass die Leistungserbringung durch den Freiberufler in enger und ständiger Abstimmung mit den Projektleitern des Auftraggebers und dem restlichen Projektteam erfolgt und dass die zum Zwecke der näheren Spezifizierung der vom Freiberufler geschuldeten Leistungen erforderlichen Weisungsrechte dem Auftraggeber zustehen. Diese Weisungsrechte sind aber ausdrücklich auf die Spezifizierung der vom Freiberufler zu erbringenden Leistungen beschränkt und konkretisieren damit die Verpflichtungen des Freiberuflers aus dem abgeschlossenen Vertrag. Inhaltliche Vorgaben, wie der Freiberufler diesen Vertrag zu erfüllen hat, werden dadurch jedoch nicht ermöglicht, sodass die dort genannten Weisungsrechte nicht als arbeitsrechtliche Weisungsrechte zu verstehen sind. Auch die Verpflichtung des Freiberuflers zur engen Abstimmung mit dem Projektleiter und den übrigen Projektmitarbeitern folgt aus der Aufgabenstellung des Freiberuflers, der verpflichtet ist, den Erfolg des Projektes zu fördern und dazu die Projektmitarbeiter koordinieren muss, und stellt keine Einbindung in einen fremden Betrieb dar, sondern ist ausschließlich der Aufgabenstellung geschuldet. Insgesamt liegen damit die vom Gesetz ausdrücklich aufgestellten Anhaltspunkte für eine Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, d. h. dass die Tätigkeit nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers gegeben ist, nicht vor. Auch die übrigen Merkmale, die zur Abgrenzung einer selbständigen Tätigkeit von einer Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, herangezogen werden können, sprechen dafür, dass die Tätigkeit, die der Freiberufler für den Auftraggeber ausübt, eine selbständige Tätigkeit darstellt. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Freiberufler für mehrere Auftraggeber tätig ist und dass er für seine Tätigkeit auch einen eigenen Computer einsetzt.

Der Freiberufler trägt ein unternehmerisches Risiko. Er bietet seine Dienste verschiedenen Kunden an, mit denen er jeweils zeitlich befristete Verträge abschließt. Er trägt damit das Risiko, dass seine Dienste nicht ausreichend nachgefragt werden. Er nutzt einen eigenen Computer, um auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben, Funktionen und Programme zu testen und sich fortzubilden. Er erbringt zwar seine Dienstleistungen nicht gleichzeitig für mehrere Kunden, sondern ist für verschiedene Kunden nacheinander tätig, sodass er für die Vertragslaufzeit seinen gesamten Verdienst jeweils nur von einem Kunden bezieht. Dadurch, dass er für verschiedene Kunden nacheinander tätig wird, ist er jedoch auch nicht von einem Kunden wirtschaftlich abhängig.

Damit übt der Freiberufler nach Ansicht des Sozialgerichts seine Tätigkeit als Berater für seinen Auftraggeber insgesamt nicht im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als Selbständiger aus.

Quintessenz …

Das vorliegende und inzwischen auch rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden ist höchst erfreulich. Es zeigt, dass die DRB mit ihrer verschrobenen Argumentation die Richter ganz offensichtlich nicht überzeugen konnte. Es zeigt auch, dass Gerichte in der Auslegung von Verträgen zu gänzlich anderen Ergebnissen gelangen können und die individuellen extrem ergebnisorientierten Ansichten der DRB bei weitem nicht das Maß aller Dinge sind. Und schließlich zeigt das Urteil ferner, dass Selbständige und deren Auftraggeber eine reale Chance haben, sich gegen die Forderungen der DRB zu wehren.

… und Empfehlungen

Dieser Fall legt typische Fehler offen, welche Selbständige und deren Auftraggeber möglichst vermeiden sollten. So halte ich die freiwillige Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens grundsätzlich für falsch. Dem einzig positiven Aspekt, damit Sicherheit über das Mitarbeiterverhältnis zwischen Freiberufler und Auftraggeber zu erlangen, stehen eine Vielzahl möglicher negativer Folgen gegenüber: Die Verfahrensdauer ist häufig sehr lang. Ich führe bzw. begleite Verfahren, in denen das der Statusfeststellung zugrunde liegende Projekt längst abgeschlossen ist, ohne dass auch nur eine Entscheidung der DRB vorliegt, geschweige denn das Verfahren abgeschlossen ist. Kommt es zum Verfahren vor dem Sozialgericht, sehen die Verfahrensdauern noch ganz anders aus. So lagen im oben geschilderten Fall zwischen der Antragstellung und der Entscheidung des Sozialgerichts 4 (in Worten: vier) Jahre! Und wäre die DRB in die Berufung gegangen, hätte das Verfahren auch noch weitere 1 bis 2 Jahre dauern können.

Im Übrigen gibt ein Statusfeststellungsverfahren bestenfalls Sicherheit für das laufende Vertragsverhältnis, also letztlich nur für die Vergangenheit, denn niemand kann in die Zukunft blicken und deren Entwicklung vorhersehen. Somit suggeriert das Statusfeststellungsverfahren tatsächlich nur eine Scheinsicherheit!

Und schließlich muss beachtet werden, dass die Ansprüche der DRB nach vier Jahren verjähren. Die Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens hemmt diese Verjährung jedoch, d. h. die Verjährung ist quasi ausgesetzt und läuft nicht weiter. Somit könnte die DRB in einem solchen Fall beispielsweise nach Abschluss eines dem Statusfeststellungsverfahren anschließenden Sozialgerichtsverfahrens auch noch für Jahre Beiträge verlangen, die eigentlich längst verjährt wären. Somit bleibt kaum noch ein wirklich gutes Argument für ein Statusfeststellungsverfahren.

Verträge sind eine andere wichtige Baustelle für Freiberufler und deren Auftraggeber. Zwar fand die DRB im oben geschilderten Fall mit ihrer höchst eigenwilligen und teilweise abstrusen Interpretation des Vertrags beim Sozialgericht Wiesbaden kein Gehör – dies kann aber bei einem anderen Sozialgericht durchaus anders sein. Daher sollte den vertraglichen Regelungen höchste Aufmerksamkeit geschenkt werden, um der DRB keine unnötige Munition für eine entsprechende Vertragsauslegung zu liefern.

Abschließend weise ich darauf hin, dass dem Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden keine Bindungswirkung für andere Sozialgerichte oder Landessozialgerichte zukommt. Letztlich muss jeder Fall einzeln durchgekämpft werden. Dieses Urteil gibt dafür zusätzlichen Mut.

Unternehmensnachfolge rechtlich, steuerlich und menschlich

Unternehmensnachfolge rechtlich, steuerlich und menschlich

Ein fiktives Interview zu einem realen Thema

Von Rechtsanwalt und Mediator (DAA) Dr. Benno Grunewald 

Frage: Herr Dr. Grunewald, warum befassen Sie sich mit dem Thema Unternehmensnachfolge?

Antwort: Zahlreiche Unternehmer stehen vor der Frage, wie es mit ihrer Firma weitergehen kann. Wer soll die Verantwortung übernehmen? Wie ist der Übergang auf den neuen Chef zu gestalten? Welche rechtlichen „Airbags“ kommen in Betracht, wenn es nicht funktioniert? Diese sehr komplexe Situation erfordert eine umfassende rechtliche, steuerliche und auch menschliche Beratung und Betreuung und bietet gleichzeitig erheblichen Gestaltungsspielraum. In einem derartigen Umfeld fühle ich mich als Rechtsanwalt und Mediator besonders wohl.

Frage: Ihnen gefällt also besonders, dass hier nicht gestritten wird?

Antwort: Nun, es kann sicher auch hier zu Streitigkeiten kommen. Entscheidend ist aber, dass es nicht darum geht bzw. nicht darum gehen sollte, einseitige Interessen durchzusetzen, sondern möglichst gemeinsam zu einer tragfähigen und für alle Beteiligten befriedigende Lösung zu kommen.

Frage: Unternehmen haben einen oder sogar mehrere „eigene“ Rechtsanwälte und Steuerberater. Warum sollte ein weiterer Rechtsanwalt wie Sie dazukommen?

Antwort: Die Gestaltung der Unternehmensnachfolge betrifft nicht nur den Unternehmer selbst, sondern auch seinen Nachfolger. Und unabhängig davon, ob es sich dabei um die eigenen Kinder des Unternehmers oder externe neue Firmeninhaber handelt, wird die Hinzuziehung eines außenstehenden Beraters regelmäßig sehr begrüßt. Dieser ist noch nicht betriebsblind, bringt neue Ideen und Aspekte ein und hat einen objektiveren Standpunkt.

Frage: Die bereits für das Unternehmen tätigen Berater werden durch Sie aber nicht überflüssig, oder?

Antwort: Selbstverständlich nicht! Aufgrund ihrer detaillierten Kenntnisse des Unternehmens sind sie sogar sehr wichtig für den Prozess der Unternehmensnachfolge und sollten diesen eng begleiten. Es gibt zahlreiche rechtliche und steuerliche Aspekte, die zu berücksichtigen sind. Und hier kann die Diskussion mit dem Steuerberater und dem Rechtsanwalt des Unternehmers - auch und gerade bei möglichen alternativen Lösungen - sehr fruchtbar und effektiv sein.

Frage: Sie sprachen eben auch von „Betreuung“. Was meinen sie damit konkret?

Antwort: Meinen Erfahrungen nach wird bei den meisten Rechtsstreitigkeiten der menschliche Faktor vollkommen unzureichend berücksichtigt. Und dies gilt auch bei der Gestaltung der Unternehmensnachfolge. Die schönsten und kunstvollsten rechtlichen Verträge und Konstruktionen werden letztlich nicht halten, wenn sie nicht von den davon betroffenen Personen mit Überzeugung getragen und vertreten werden. Daher bedarf es bei der Unternehmensnachfolge regelmäßig auch einer nicht-juristischen Sichtweise und des Einsatzes der Mediation. Dies alles würde ich unter „Betreuung“ verstehen.

Frage: Stichwort „Mediation“. Wie und warum sollte diese hier eingesetzt werden?

Antwort: Die Mediation ist nicht nur eine alternative Methode zur Streitschlichtung. Sie ist auch ein strukturiertes Verfahren, um die Vorstellungen, Wünsche und Befürchtungen der Beteiligten sichtbar zu machen. Sehr häufig können dadurch sowohl offene als auch versteckte Konflikte aufgelöst und eine von allen Beteiligten getragene Lösung gefunden werden.

Frage: Reden wir abschließend über Geld. Was kostet Ihre Tätigkeit im Bereich der Unternehmensnachfolge?

Antwort: Hierzu fällt mir zunächst ein aktueller Werbespruch ein: „Gute Beratung kostet Geld – schlechte ein Vermögen.“ Ich vereinbare mein Honorar in der Regel im Rahmen des ersten Gesprächs mit dem Mandanten. Dabei kann dies auf einer Stundenbasis oder einem Gegenstandswert basieren oder in einem Festbetrag bestehen.

Herr Dr. Grunewald: Vielen Dank für dieses Gespräch!

Kundenschutz und Freiberufler

Wettbewerbsverbot, einstweilige Verfügung und Schutzschrift Gerichte bestätigen Unwirksamkeit von Kundenschutzklauseln und Bedeutung der Schutzschrift

I. Zwei aktuelle von mir geführte Verfahren für Freiberufler vor dem Landgericht Wuppertal und vor dem Landgericht Frankfurt am Main wegen vertraglicher Wettbewerbsklauseln machen den Charakter der Schutzschrift als quasi „Lebensversicherung“ des Freiberuflers deutlich. Außerdem zeigen beide Verfahren erneut, dass viele Kundenschutzklauseln schlicht unwirksam sind.

II. Beide von mir vertretenen Freiberufler waren über denselben Vermittler mit gleichartigen Verträgen beim selben Endkunden tätig. Die Verträge enthielten u. a. eine Kundenschutzklausel, die den Freiberuflern ein Tätigwerden für den Kunden nach Beendigung des Vertrags für die Dauer von sechs Monaten untersagte.

III. Da sich abzeichnete, dass der Vermittler mit einer Folgetätigkeit der Freiberufler beim Endkunden ohne seine Beteiligung nicht einverstanden sein würde, bestand die Gefahr, dass der Vermittler bei Gericht eine einstweilige Verfügung erwirkt. Diese hat zur Folge, dass es dem Freiberufler mit sofortiger Wirkung untersagt wird, weiter im Projekt für den besagten Kunden zu arbeiten. Zwar gilt die einstweilige Verfügung nur vorübergehend bis zur gerichtlichen Klärung – allerdings nützt es dem Freiberufler wenig, im anschließenden Verfahren nach Wochen oder Monaten Recht zu bekommen, denn durch eine einstweilige Verfügung geht ihm zumindest das aktuelle Projekt verloren.

IV. Daher habe ich dazu geraten, eine sogenannte Schutzschrift zu erstellen und diese vorab an die in Betracht kommenden Gerichte zu senden, um zu verhindern, dass der Vermittler eine derartige einstweilige Verfügung erwirkt. Die Schutzschrift wird beim Gericht in einem entsprechenden Register hinterlegt und im Falle des Antrags einer einstweiligen Verfügung herangezogen. Sofern die Schutzschrift ausreichende Argumente gegen die Begründung der einstweiligen Verfügung enthält – hier gegen die Wirksamkeit der Kundenschutzklausel – wird das Gericht keine einstweilige Verfügung erlassen.

V. In den beiden hier geschilderten Fällen liefen die Verfahren unterschiedlich ab. Das Landgericht Frankfurt am Main wies den Antrag des Vermittlers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss im schriftlichen Verfahren zurück. Und auch die Beschwerde des Vermittlers gegen diesen Beschluss vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main wurde zurückgewiesen.

VI. Das Landgericht Wuppertal hingegen setzte kurzfristig einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. In diesem Termin machte das Gericht sehr deutlich, dass es die Kundenschutzklausel für nicht wirksam halte. Und dies, obwohl die Regelung eine Karenzentschädigung für den Freiberufler enthielt. Allerdings sah die Regelung vor, dass der Freiberufler die Beweislast dafür hat, dass er während der Dauer des Wettbewerbsverbots keine anderen Einnahmen erzielen kann. Dies wertete das Gericht als unzulässige Klausel, so dass das Wettbewerbsverbot insgesamt unwirksam sei. Gegen dieses Urteil legte der Vermittler keine Berufung ein; es ist somit rechtskräftig.

VII. Beide Fälle zeigen die Bedeutung der Schutzschrift für Freiberufler. Zwar wird sich ein Vermittler gut überlegen, ob er seinem Kunden durch die von ihm beantragte einstweilige Verfügung einen Projektmitarbeiter von heute auf morgen entzieht und damit erhebliche Probleme bereitet. Dennoch kommt dies – wie hier gezeigt - eben doch immer wieder vor. Um dieses für den Freiberufler existenzielle Risiko auszuschließen, ist die Schutzschrift die beste Versicherung.

Wettbewerbsverbot bei kurzer Tätigkeit

Kurz aber intensiv - Wettbewerbsverbot kann auch bei zeitlich sehr begrenzter Tätigkeit unwirksam sein.
Mit seinem Urteil vom 13.09.2011 hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden ein wesentliches Kriterium für die Unwirksamkeit von vertraglichen Wettbewerbsverboten für Freiberufler abweichend von der bisherigen Rechtsprechung neu bewertet. Welche Auswirkungen dies konkret haben kann, zeigt der folgende Beitrag auf. 
Die bisherige Linie der Gerichte

Wenn Gerichte über die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit eines Wettbewerbsverbots für Freiberufler entscheiden, ist die Dauer der Tätigkeit ein wichtiges Kriterium. Hier muss vorausgeschickt werden, dass für Freiberufler keine gesetzlichen Regelungen zu Wettbewerbsverboten existieren. Allerdings gibt es im HGB (Handelsgesetzbuch) Normen für Wettbewerbsverbote betreffend kaufmännische Angestellte. Da nun die Gerichte auch in Fragen der Wirksamkeit von Wettbewerbsverboten bei freien Mitarbeitern gerne auf Gesetze zurückgreifen, ziehen sie diese Vorschriften aus dem HGB - wenn möglich - analog heran. Dafür ist es aber erforderlich, dass es sich beim Freiberufler um eine arbeitnehmerähnliche Person handelt. Dies nehmen die Gerichte an, wenn der Freiberufler von seinem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig ist. Und für die Annahme einer wirtschaftlichen Abhängigkeit haben die Gerichte bislang vorausgesetzt, dass der Freiberufler für seinen Auftraggeber ausschließlich oder ganz überwiegend und über einen längeren Zeitraum tätig war. Für die Länge dieses Zeitraums gibt es keine exakte Angabe - bislang gingen die Gerichte als Untergrenze von ca. einem Jahr aus.

Die Auffassung des OLG Dresden

Hiervon weicht das OLG Dresden nun gravierend ab. Es hält bereits eine Tätigkeitsdauer von sieben Monaten für ausreichend! Dies begründet das Gericht damit, dass die Parteien zum einen aufgrund des bestehenden Rahmenvertrags ganz offensichtlich von einer langfristigen Zusammenarbeit ausgingen. Weiterhin – und dies ist letztlich das tragende Argument der Entscheidung - sprechen Umfang und Intensität der Tätigkeit des Freiberuflers für dessen wirtschaftlicher Abhängigkeit von seinem Auftraggeber. Der Freiberufler habe vertraglich einen Acht-Stunden-Tag gehabt, tatsächlich aber sogar weit mehr - in einigen Monaten über 200 Stunden - gearbeitet. Daher sei es dem Freiberufler auch nicht möglich gewesen, andere Aufträge anzunehmen. Daher – so das OLG Dresden – sei von einer arbeitnehmerähnlichen Situation des Freiberuflers auszugehen, mit der Folge der Anwendbarkeit des HGB, was wiederum in diesem Fall zur Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots führt, da dieses keine Karenzentschädigung für den Freiberufler beinhaltete.

Die Folgen für Freiberufler

Die Entscheidung des OLG Dresden weitet den Bereich der Unwirksamkeit von Wettbewerbsverboten für Freiberufler erheblich aus. Gingen die Gerichte bislang von einer Tätigkeitsdauer von mindestens ca. einem Jahr aus, so wird diese Anforderung nunmehr erheblich reduziert. Bereits bei einer Tätigkeit von sieben Monaten soll nach Ansicht des OLG Dresden die Voraussetzung einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des Freiberuflers gegeben sein.

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich diese Rechtsprechung durchsetzt. Unabhängig davon eröffnet das Urteil neue Argumentationsspielräume in vergleichbaren Fällen und erhöht so die Chancen der Freiberufler, sich von vertraglichen Wettbewerbsverboten zu befreien.

Aufruf zur Verteidigung der Selbstständigkeit

Selbstständigkeit in Zeiten leerer Sozialkassen – Chance? Risiko? Harakiri?
Ein Aufruf zur Verteidigung der Selbstständigkeit!

"Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann,
was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will."
Jean-Jacques Rousseau 

Selbstständigkeit und Freiheit

Selbstständigkeit und Freiheit sind untrennbar miteinander verbunden. Jeder Selbstständige weiß zu schätzen, dass er eigenverantwortlich und selbstbestimmt tätig sein kann und ihm niemand vorschreibt, was, wann und wie er zu arbeiten hat. Diese grundsätzlich absolute Freiheit findet ihre Grenzen nach Annahme eines Auftrags. Sobald der Selbstständige sich verpflichtet eine konkrete Aufgabe zu übernehmen, gelten auch für ihn bestimmte Rahmenbedingungen, die er zu beachten hat. Dies kann beispielsweise bei einem Unternehmensberater zeitlicher Natur sein wie bei der Durchführung eines Workshops zu einem bestimmten Zeitpunkt; bei einem IT-Experten inhaltlich bestimmt werden wie bei der Entwicklung von Software mit bestimmten Funktionen oder bei einer Pflegekraft formale Kriterien erfüllen müssen wie die Beachtung hygienischer Standards im Krankenhaus. Insofern genießt auch ein Selbstständiger regelmäßig keine totale Freiheit. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang also stellt, ist, ob bzw. wann ein Selbstständiger nicht mehr selbstständig ist. Und dieser Frage stellt sehr häufig die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB). Die hiermit verknüpfte Thematik wird im Allgemeinen mit dem Schlagwort „Scheinselbstständigkeit“ bezeichnet.

"Ideal wäre ein Staat in dem jeder alle Freiheiten hätte,
ausgenommen die Freiheit, in die Freiheit der anderen einzugreifen."
Bertrand Russell

Die Jagd auf Selbstständige und deren Auftraggeber

Die DRB hat es sich ganz offenkundig zur Hauptaufgabe gemacht, ihre leeren Kassen mit allen erdenklichen Mitteln und Methoden zu füllen. Eine dieser Methoden ist die Jagd auf Selbstständige und deren Auftraggeber. Dabei geht die DRB regelmäßig zweistufig vor: Zunächst versucht die DRB das zwischen dem Selbstständigen und seinem Auftraggeber bestehende freie Mitarbeiterverhältnis in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis umzudefinieren. Gelingt dies nicht, so zielt die DRB im zweiten Schritt darauf, den Selbstständigen zur Zahlung seiner eigenen Rentenversicherungsbeiträge heranzuziehen. Und dies hat für die DRB mittlerweile offenbar grundsätzlichen Charakter, denn ansonsten wäre kaum erklärbar, dass die DRB auch Fälle, in denen es um Tätigkeiten von wenigen Wochen(!) Dauer geht, über mehrere Jahre und bis zu den Sozialgerichten betreibt. Allein die damit verursachten Aufwände und Kosten aller Beteiligten (Auftraggeber, Auftragnehmer, Rechtsanwälte, Gericht mit bis zu 5 Personen und eventuell beigeladene Krankenkassen) stehen in derartigen Fällen in keinem Verhältnis zu den streitigen Sozialversicherungsbeiträgen.

Und bei alledem ist sich die DRB nicht zu schade auch noch zu behaupten, sie agiere letztlich im Sinne der Selbstständigen, damit diese entsprechend abgesichert seien. Dies scheitert aber bei sehr vielen Selbstständigen allein daran, dass die gesetzlich geforderte Wartezeit – das heißt die Voraussetzung für den Bezug von Rente - mindestens 5 Jahre beträgt. Regelmäßig werden Selbstständige aber nur für einen bestimmten Zeitraum zu Zahlungen verpflichtet, der aufgrund der Verjährungsfristen maximal 4 Jahre betragen kann. Sofern ein Selbstständiger demnach zu Zahlungen verpflichtet wird, wären diese für ihn verloren; es sei denn, er zahlt „freiwillig“ weitere Beiträge an die DRB.

"Etwas ist nicht recht, weil es Gesetz ist, sondern es muss Gesetz sein, weil es recht ist."
Charles de Montesquieu

Selbstständigkeit und das Gesetz

„Beschäftigung ist die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“ (§ 7 Abs. 1 SGB IV).

Auf diesem einzigen Satz aus dem Sozialgesetzbuch IV gründet die Beurteilung Selbstständiger als selbstständig oder nicht selbstständig - denn andere bzw. weitere gesetzliche Normen existieren nicht! Und diese Regelung ist damit auch die einzige gesetzliche Basis der Gerichte. Die Rechtsprechung hat daher im Laufe der Zeit zahlreiche Kriterien zur Abgrenzung einer selbstständigen von einer abhängigen Beschäftigung entwickelt. Die DRB konzentriert sich allerdings überwiegend auf die Aspekte Weisungsgebundenheit und Eingliederung des Selbstständigen.

"Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen."
Charles de Montesquieu

Beurteilung durch die DRB

Die DRB kommt zu ihren Erkenntnissen fast ausschließlich am „grünen Tisch“. Beurteilt werden - so vorhanden - die Verträge zwischen dem Selbstständigen und seinem Auftraggeber. Da beide Parteien in diesem Zusammenhang außerdem regelmäßig entsprechende Fragebögen von der DRB erhalten, werden auch diese Inhalte berücksichtigt. Und: Sofern diese Unterlagen der DRB keine oder eine nicht ausreichende Argumentation für die Abhängigkeit des Selbstständigen liefern, ist die DRB so frei, einfach mit Behauptungen und Mutmaßungen zu hantieren. Eine weitere Vorgehensweise der DRB besteht darin, auf die tatsächliche Umsetzung der vertraglichen Vereinbarungen zu verweisen. Da die DRB diese gelebte Praxis jedoch aus eigener Anschauung in fast allen Fällen überhaupt nicht kennt, arbeitet sie auch hier gerne mit Annahmen und Unterstellungen.

"Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren."
Benjamin Franklin

Allianz für die Selbstständigkeit

Freiheit ist das höchste demokratische und persönliche Gut. Jegliche Einschränkung bedarf eines sehr guten und vertretbaren Grundes. Die leeren Kassen der Sozialversicherung sind dafür sicherlich keine Legitimation. Der bewusste Schritt in die Selbstständigkeit ist sowohl Chance wie Risiko – er sollte aber für den Selbstständigen und dessen Auftraggeber nicht zum Harakiri werden. Es scheint daher an der Zeit, eine Allianz für die Selbstständigkeit zu begründen, die sich gegen die unbotmäßige Gängelung durch die DRB zur Wehr setzt und diese in ihre gesetzlich definierten Schranken weist.

Unwirksamkeit von Kundenschutzregelungen für juristische Person

Wettbewerbsverbot für Selbstständige als juristische Person?
Gericht bestätigt Unwirksamkeit einer Kundenschutzklausel für selbstständigen IT-Berater, der als juristische Person auftritt. 
Zum Hintergrund

Wettbewerbsverbote bzw. Kundenschutzklauseln im IT-Bereich stehen rechtlich grundsätzlich auf unsicherem Boden, da sie meist keine Karenzentschädigung enthalten, die Laufzeit eines Projekts häufig ein Jahr oder länger beträgt und der Selbstständige in dieser Zeit regelmäßig nur in diesem Projekt tätig ist, also keine weiteren Auftraggeber hat. Vor dem Hintergrund der hierzu vorliegenden Rechtsprechung stellt sich eine derartige Kundenschutzklausel fast immer als unwirksam dar.

Allerdings bezogen sich die Urteile der Gerichte bislang ausschließlich auf selbstständige IT-Berater als Einzelunternehmen, also auf natürliche Personen. Nunmehr hat das OLG Frankfurt am Main in der Berufungsinstanz ein Urteil des LG Fulda bestätigt, dass auch für eine „Ein-Personen-Gesellschaft“ als juristische Person die Anwendung der bisherigen Rechtsprechung bejaht.

Zum Sachverhalt

Der selbstständige IT-Berater hatte mit einem Vermittler wie üblich einen Rahmenvertrag sowie einen Projekteinzelvertrag für einen Projekteinsatz beim Endkunden geschlossen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge befand sich die vom IT-Berater gegründete Firma, eine Unternehmergesellschaft (UG), in Gründung, war also noch nicht in das Handelsregister eingetragen. Die im Rahmenvertrag enthaltene Kundenschutzregelung sah die Verpflichtung des Auftragnehmers vor, für die Dauer von 12 Monaten nach Ende des jeweiligen Projekteinzelvertrages für keine Kunden tätig zu werden, an deren Projekten er mitgearbeitet hat, es sei denn, im jeweiligen Einzelvertrag ist etwas Abweichendes geregelt. Im Projekteinzelvertrag war bestimmt, dass der Auftragnehmer innerhalb von 12 Monaten nach Ende dieses Projekteinzelvertrages weder direkt noch mittels eines anderen für den Kunden im genannten Projekt tätig werden darf. Eine Karenzentschädigung war nicht vorgesehen.

Da der IT-Berater dennoch auch nach Beendigung des Projekteinzelvertrags, der mit Verlängerungen insgesamt rund 1 Jahr lief, für denselben Kunden tätig wurde, verklagte der Vermittler den Berater. Diese Klage wiesen sowohl das LG Fulda als auch das OLG Frankfurt am Main ab.

Zum Urteil

Beide genannten Gerichte beurteilen die vertragliche Kundenschutzklausel als unwirksam, weil es an einer Karenzentschädigung zugunsten der Selbstständigen fehlt und dieser durch seine Tätigkeit vollständig ausgelastet war.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Selbstständige in Form einer juristischen Person, hier einer UG, aufgetreten ist. Denn diese ist mit einer natürlichen Person, also einem Einzelunternehmen, durchaus vergleichbar, wenn statt ihrer die (einzige) natürliche Person, die „hinter ihr steht" und die sich zulässigerweise „des Mantels" der GmbH bedient hat, als Vertragspartner in Erscheinung tritt. Ebenso wie der Alleingesellschafter und Geschäftsführer das Handeln der Gesellschaft allein bestimmt, ist er derjenige, der von der wirtschaftlichen Situation der GmbH und dem diesem treffenden Wettbewerbsverbot allein betroffen ist, da er zugleich als einziger Mitarbeiter der Gesellschaft tätig und aus dieser Tätigkeit sein alleiniges Einkommen bezieht.

Fazit

Wettbewerbsverbote bzw. Kundenschutzklauseln im IT-Bereich stehen rechtlich grundsätzlich auf unsicherem Boden … und zwar selbst dann, wenn der Vertragspartner nicht als Einzelunternehmen,  sondern als juristische Person auftritt. Jedenfalls dann, wenn diese juristische Person eine „Ein-Personen-Gesellschaft“ ist.

Urteile zu scheinselbstständigen IT-Freiberuflern

Urteile contra Scheinselbstständigkeit - wann IT-Freiberufler als selbstständig gelten

Prolog

Zahlreiche von mir gewonnene Verfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) zeigen, dass IT-Freiberufler und deren Auftraggeber realistische Chancen haben, der Scheinselbstständigkeit zu entgehen – wenn die vertraglichen Voraussetzungen und die tatsächlichen Umstände stimmen! 

Verfahren gegen IT-Freiberufler

Einige der im Folgenden aufgelisteten Verfahren wurden durch Urteil rechtskräftig (rk) abgeschlossen. Teilweise erkannte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) die Scheinselbstständigkeit des IT-Freiberuflers im Termin vor dem Sozialgericht (SG) unmittelbar an (Anerkenntnis).

Und in einigen Fällen legte die DRB Berufung (Bf.) ein:

SG Wiesbaden, Az. S 8 R 367/07 (Urteil vom 15.06.2010, rk)
SG Gießen, Az. S 19 R 518/09 (Urteil vom 17.05.2011, rk)
SG München, Az. S 27 R 2045/10 (Anerkenntnis vom 16.12.2011)
SG Oldenburg, Az. S 5 R 246/09 (Urteil vom 07.02.2012, Bf.)
SG Wiesbaden, Az. S 8 R 212/10 (Urteil vom 20.08.2012, rk)
SG Gießen, Az. S 13 R 538/09 (Urteil vom 05.09.2012, Bf.)
SG München, Az. S 31 R 2288/11 (Anerkenntnis vom 10.10.2012)
SG Darmstadt, Az. S 10 KR 506/10 (Anerkenntnis vom 14.11.2012)
SG München, Az. S 15 R 427/10 (Anerkenntnis vom 07.12.2012)
SG Stuttgart, Az. S 22 R 1260/10 (Urteil vom 29.01.2013, Bf.)
SG Stuttgart, Az. S 18 R 6903/09 (Urteil vom 21.06.2013, Bf.)

Gemeinsamkeiten der Verfahren

Alle Verfahren eint, dass es stets darum ging, ob der IT-Freiberufler als selbstständig oder als sozialversicherungspflichtig einzustufen war. Weiterhin war in jedem Fall die „klassische“ Konstellation zu beurteilen: IT-Freiberufler – Unternehmensberatung – Endkunde. Auch ging es immer um projektbezogene und damit befristete Aufträge. Und schließlich haben sich in allen Fällen sowohl der IT-Freiberufler als auch sein Auftraggeber, die Unternehmensberatung, gegen die Einstufung als sozialversicherungspflichtig gewehrt.

Unterschiede der Verfahren

Auslöser der Prüfung durch die DRB war in einigen Fällen ein vom Auftraggeber oder vom IT-Freiberufler selbst beantragtes Statusfeststellungsverfahren. Manchmal wurde die DRB im Zuge ihrer routinemäßigen Prüfungen der Unternehmensberatungen und deren fest angestellten Mitarbeiter auf die IT-Freiberufler aufmerksam. Und in anderen Fällen waren es „Zufallsfunde“ der DRB. Letztlich hatte der Ausgangspunkt des jeweiligen Verfahrens aber keinen Einfluss auf das Ergebnis.

Alle Fälle unterscheiden sich weiterhin in den rechtlichen Vereinbarungen zwischen dem IT-Freiberufler und der Unternehmensberatung. Hier gab es sowohl Einzel- und Rahmenvertrag, nur einen Gesamtvertrag als auch gar keinen (schriftlichen) Vertrag. Und in einem Fall gab es lediglich eine Bestellung durch die Unternehmensberatung auf Basis deren AGB. Und natürlich hatte jede Unternehmensberatung ihre eigenen Vertragswerke bzw. AGB, die sich insbesondere im Detail sehr voneinander unterschieden.

Praktisch waren die betroffenen Freiberufler zwar alle in IT-Projekten tätig – die jeweiligen Tätigkeiten waren dabei aber sehr unterschiedlich und reichten von der Projektleitung, Netzwerkadministration über die Softwareerstellung bis zu einer eher betriebswirtschaftlichen Beratung im SAP-Umfeld.

Praxis der Sozialgerichte

Jedes Gerichtsverfahren ist letztlich eine „Black Box“. Die juristisch fundiertesten und am eloquentesten vorgetragenen Argumente vermögen nichts zu bewirken, wenn das Gericht schlicht eine andere Auffassung hat – denn wie heißt es: „Ein guter Jurist kann alles begründen“. Und es ist nie wirklich vorhersehbar, worauf das Gericht Wert legt. So habe ich z. B. erlebt, dass in zwei Verfahren derselben Unternehmensberatung vor demselben Sozialgericht mit jeweils einem Freiberufler beim selben Endkunden auf Basis identischer Verträge ein Richter ausschließlich Interesse für die Gegebenheiten beim Endkunden zeigte, während der Richter des anderen Verfahrens nur die Vertragskonstellation zwischen dem Freiberufler und der Unternehmensberatung erörterte.

Speziell die Sozialgerichte bemühen sich jedoch - und haben auch den gesetzlichen Auftrag – den Sachverhalt über das von den Parteien Vorgetragene hinaus aufzuklären. Dies bedeutet, dass insbesondere der betroffenen Freiberufler zur mündlichen Verhandlung persönlich geladen und entsprechend befragt wird.

Nach meiner Erfahrung ist dabei neben den inhaltlichen Aussagen auch der persönliche Eindruck des Freiberuflers von entscheidender Bedeutung. Kommt „rüber“, dass der Freiberufler ein überzeugter selbstständig handelnder Unternehmer ist, so kann dies eventuell andere ungünstige Umstände wie beispielsweise einen „schlechter“ Vertrag oder die Einbindung in das Zeiterfassungssystem des Endkunden in den Hintergrund treten lassen.

Fazit?!

So banal es klingt: Jeder Fall ist anders! Und selbst wenn die Parameter zweier Verfahren fast identisch sind – wie in den oben geschilderten beiden Fällen derselben Unternehmensberatung vor demselben Gericht – weicht die Behandlung möglicherweise dennoch voneinander ab. Somit sind die Urteile der Sozialgerichte letztlich stets Einzelfallentscheidungen, die kaum Rückwirkungen auf andere Fälle erlauben. Dies ist einerseits sehr unbefriedigend, denn Rechtssicherheit geht sicher anders! Andererseits eröffnet dies im Einzelfall stets neue Perspektiven. Und: Gegen Urteile, mit denen man nicht einverstanden ist, gibt es die Möglichkeit der Berufung zum Landessozialgericht und gegen dessen Entscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Revision zum Bundessozialgericht.

Häufig liegen die Ursachen einer ungünstigen Entscheidung aber bereits im außergerichtlichen Vorverfahren mit der DRB. Zwar existieren zahlreiche Kriterien zur Abgrenzung einer selbstständigen von einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit – es genügt aber meines Erachtens nicht, diese Kriterien – die zudem auslegungsfähig sind – einfach per Checkliste „abzuhaken“. Hinzu kommt, dass die DRB häufig eigene Kriterien formuliert und abfragt. Und wichtig ist zudem die Erfahrung sowohl mit der Verwaltungspraxis der DRB als auch der Spruchpraxis der Sozialgerichte.

Daher sind aus meiner Erfahrung grundsätzlich folgende Aspekte von erheblicher Bedeutung:
  • „Schonungslose“ Analyse der gegenwärtigen und vergangenen Situation (4 Jahre zurück)
  • Optimale Verträge bzw. Reduzierung der Vereinbarungen auf das absolute Minimum. Hier hat sich beispielsweise die Form einer Bestellung auf Basis von AGB bewährt.
  • Beachtung der Selbstständigkeit in der Ausgestaltung der konkreten Arbeitsbedingungen beim Endkunden bzw. – wohl eher selten – beim Auftraggeber selbst.
  • Einbeziehung möglichst aller Beteiligten (IT-Freiberufler, Unternehmensberatung und Endkunde) auch wenn deren einzelnen Interessen nicht immer deckungsgleich sind.

Die Beachtung dieser Aspekte – und die entsprechend notwendige Ausdifferenzierung im Einzelfall - erhöhen die Chancen auf Gewinn eines Verfahrens gegen die DRB deutlich. Und dies sollte möglichst nicht erst dann passieren, wenn die DRB „auf der Matte steht“ sondern prophylaktisch angegangen werden.

Dementsprechend vorbereitet und gut aufgestellt ist jede Überprüfung nicht nur erheblich entspannter, sondern auch erheblich aussichtsreicher erfolgreich zu bewältigen.

Scheinselbständigkeit und unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung

Ein doppeltes Risiko für Auftraggeber?

Seit einiger Zeit beobachte ich eine zunehmende Nervosität und teilweise sogar Panik bei Unternehmen, die mit Selbständigen zusammenarbeiten. Im Zuge dieser Entwicklung höre ich auch immer wieder, dass manche Firmen keine Selbständigen mehr engagieren möchten, sondern eine Zusammenarbeit nur noch über Arbeitnehmerüberlassung anstreben. Ich halte dies für einen Irrweg, der sich bei näherer Betrachtung weder tatsächlich noch rechtlich als sinnvoll darstellt.

Risiko Scheinselbständigkeit

Sofern ein Selbständiger eine Leistung erbringt, besteht latent stets das Risiko, dass dies nicht als selbständig, sondern als sozialversicherungspflichtig beurteilt wird. Dieses Risiko kann nicht auf null reduziert werden.

Nach meiner Erfahrung in diesem Bereich seit 1999 stelle ich aber fast jeden Tag aufs Neue fest, dass dieses Risiko erheblich minimiert werden kann.

Das beginnt bei der Anbahnung der Zusammenarbeit und geht über die vertraglichen Vereinbarungen bis hin zu den konkreten Umständen der Leistungserbringung.

Und: Gerade in der IT- und Unternehmensberatung finden wir im Regelfall die Situation „Selbständiger – Agentur – Endkunde“ vor.

Wenn man nun weiß, dass sich die DRB (Deutsche Rentenversicherung Bund) ausschließlich für das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Selbständigen, also zwischen den unmittelbaren Vertragsparteien, interessiert, wird deutlich, dass der Endkunde allein dadurch geschützt wird!

Ich habe jedenfalls in meinen bisherigen rund 1.000 Verfahren gegen die DRB noch in keinem Fall erlebt, dass die DRB auch nur versucht hätte in der oben genannten Konstellation den Endkunden in Anspruch zu nehmen.

Risiko unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung

Arbeitnehmerüberlassung bedeutet zunächst einmal, dass es einen Arbeitnehmer zum Überlassen geben muss. Da nach meiner Erfahrung fast alle selbständigen IT- und Unternehmensberater aus Überzeugung selbständig sind, werden diese sich regelmäßig nicht zu Arbeitnehmern machen lassen wollen.

Und auch das Risiko einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung wird meines Erachtens von den Unternehmen falsch eingeschätzt. Richtig ist zwar, dass in der oben erwähnten Konstellation „Selbständiger – Agentur – Endkunde“ bei Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung und dem Fehlen einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung beim Verleiher - also der Agentur – die Rechtsfolge eintritt, dass der Entleiher – also der Endkunde – zum Arbeitgeber des Selbständigen wird.

Jedoch: Dies interessiert die DRB in keinster Weise! In keinem meiner bisherigen Verfahren gegen die DRB war die Frage nach einer möglichen Arbeitnehmerüberlassung virulent.

Das Thema Arbeitnehmerüberlassung kann nur auf zwei Wegen relevant werden: Entweder dann, wenn der Zoll mit im Spiel ist, da der Zoll seine Erkenntnisse nicht nur an die DRB, sondern auch an die Staatsanwaltschaft abgibt. Hier können dann auch die strafrechtlichen Aspekte der Scheinselbständigkeit inklusive unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung zum Tragen kommen. Hat allerdings die Agentur die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, fällt dieser „Anklagepunkt“ selbstverständlich  weg, denn dann wäre die Arbeitnehmerüberlassung nicht unerlaubt durchgeführt worden.

Der andere Weg, auf dem ein Unternehmen mit dem Thema Arbeitnehmerüberlassung konfrontiert werden kann, ist der Weg über die Arbeitsgerichte. Dies setzt aber voraus, dass ein Selbständiger eine entsprechende sogenannte Statusklage erhebt, um feststellen zu lassen, dass er eigentlich Arbeitnehmer ist. Und auch dies nur dann, wenn der Selbständige nicht die Agentur, sondern den Endkunden verklagt.

Da jedoch – wie bereits erwähnt - fast alle selbständigen IT- und Unternehmensberater aus Überzeugung selbständig sind, ist dies nach meiner Erfahrung sehr unwahrscheinlich. Und: Wo kein Kläger, da kein Richter!

Ich selbst habe jedenfalls in den letzten 15 Jahren lediglich drei derartige Verfahren begleitet. Somit halte ich das Risiko unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung in diesem Zusammenhang für gänzlich überbewertet.

Fazit

Das Problem Scheinselbständigkeit ist weiter akut. Die Risiken sind bekannt und lassen sich erheblich minimieren!

Das Problem unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung ist nicht wirklich akut. Und auch dieses Risiko lässt sich reduzieren!

Einen „Königsweg“ für die Zusammenarbeit mit Selbständigen gibt allerdings leider (bislang) nicht!

Ein Gespenst namens Scheinselbständigkeit - Zur Lage Selbständiger in Deutschland 2015

Gespensterjagd – „Spiel“ ohne Grenzen!

Ein Gespenst geht um in Deutschland. Ein Gespenst namens Scheinselbständigkeit. Und dieses Gespenst wird von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRB) – immer häufiger unter Mithilfe des Zolls - mit allen erdenklichen Mitteln gejagt, um es zu erlegen. Zur Jagd freigegeben sind damit sowohl Selbständige als auch deren Auftraggeber. Dabei ist es das offensichtliche Ziel der DRB aus (fast) jeder selbständigen Tätigkeit ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu machen und die Auftraggeber zur Kasse zu bitten. Gelingt dies nicht, versucht die DRB die Selbständigen rentenversicherungspflichtig zu machen, um (wenigstens) von ihnen Rentenversicherungsbeiträge verlangen zu können.

Wie macht das die DRB?

Eine neue vierte Gewalt!

Bislang kannte man drei Gewalten, auf denen staatliches Handeln beruht: Legislative, Judikative und Exekutive, also den Gesetzgeber, die Gerichte und die ausführende Verwaltung. Nunmehr scheint eine vierte Gewalt hinzugekommen zu sein, die ich in diesem Zusammenhang als „Multilative“ bezeichnen möchte: Denn die DRB definiert selbst die Grundlagen ihres eigenen Handelns, setzt diese entsprechend um und führt das Verfahrens bis hin zu Vollstreckungsmaßnahmen anschließend auch noch selbst durch. Und dies alles offensichtlich vollkommen losgelöst von jeglichen rechtsstaatlichen Grundprinzipien, zu denen eben auch und gerade die oben genannten ersten drei Gewalten gehören.

Darf das die DRB?

Rechtliche Grundlagen selbst gemacht!

Ein typisches Beispiel für selbst definierte Grundlagen ihres Handelns bietet die Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI zur Rentenversicherungspflicht Selbständiger. Hier heißt es:

„Versicherungspflichtig sind selbständig tätige Personen, die

  • im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 450,00 EUR im Monat übersteigt, (alternativ 2 oder mehr nicht versicherungspflichtige Arbeitnehmer, die   zusammen  über 450,00 EUR im Monat erhalten)

und

  • auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft. Die DRB legt dabei den Begriff „auf Dauer“ und „im Wesentlichen“ wie folgt aus:

 „im Wesentlichen“   = mehr als 5/6 der Einnahmen von einem Auftraggeber pro Jahr

„auf Dauer“               = über 1 Jahr nur ein Auftraggeber bzw. ein Hauptauftraggeber

 Diese Interpretation bzw. Festlegung ist aber vollkommen willkürlich. Der Maßstab „5/6“ ist letztlich aus der Luft gegriffen und entbehrt jeglicher rechtlicher, geschweige denn gesetzlicher Grundlage.

Und auch die Festlegung auf 1 Jahr ist ohne jegliche rechtliche Basis.

Beispiel selbständige Pflegekräfte!

Ein weiteres sehr bezeichnendes Beispiel für die scheinbare „Autonomie“ der DRB vom Rechtsstaat betrifft den Bereich selbständiger Pflegekräfte. Hier hat die DRB zusammen mit anderen sogenannten Spitzenverbänden der Krankenkassen „beschlossen“, dass selbständige Pflegekräfte in Krankenhäusern und Altenheimen immer sozialversicherungspflichtig sind. Und dementsprechend werden folgerichtig sämtliche Kranken- und Altenpfleger unisono als sozialversicherungspflichtige Beschäftige eingestuft, ohne auch nur ansatzweise den jeweiligen Einzelfall zu berücksichtigen. So findet weder eine Differenzierung zwischen beispielsweise Pflegekräften und OP-Fachkräften noch zwischen Kranken- und Altenpfleger statt.

Mit ihrer Stigmatisierung selbständiger Kranken- und Altenpfleger als scheinselbständig bzw. sozialversicherungspflichtig setzt sich die DRB eindeutig über den Gesetzgeber hinweg. Denn dieser geht in § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB bezüglich der Rentenversicherungspflicht davon aus, dass es sehr wohl selbständige Pflegekräfte gibt, denn es heißt dort:

„Versicherungspflichtig sind selbständig tätige Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.“

Die DRB - der bessere Gesetzgeber?

Das Grundgesetz – für die DRB nur eine unverbindliche Empfehlung!

Wir haben es, wie bereits gezeigt – bei der DRB mit einer Organisation zu tun, die ganz offenbar losgelöst von jeglichen rechtsstaatlichen Verpflichtungen agiert und sich ihre eigenen Regeln gibt.

Gesetze werden willkürlich ausgelegt und exekutiert.

Die erforderliche einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung wird zwar von der DRB behauptet, findet aber nur auf dem Papier statt. Es scheint bei der DRB nur zwei Schubladen mit der Aufschrift „sozialversicherungspflichtig“ und „rentenversicherungspflichtig“ zu geben, in die alle Selbständigen, von der Reinigungskraft über den Kurierfahrer bis zum IT- und Unternehmensberater einsortiert werden müssen.

Die Vorgehensweise der DRB stellt sich aber auch in vielen anderen Bereichen für viele Selbständige beispielsweise in der IT- und Unternehmensberatung als rechtswidrig dar.

Dabei ist die DRB als Körperschaft des öffentlichen Rechts in besonderem Maße den verfassungsrechtlichen Grundsätzen verpflichtet. Sie hat ihr Handeln danach auszurichten und dieses auch unter den sich daraus ergebenden Konsequenzen zu bewerten. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die DRB verfassungswidrig handelt. Die DRB greift ohne entsprechende Befugnis in die in den Art. 12 und 14 GG (Grundgesetz) verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter der Berufsfreiheit und der Freiheit unternehmerischer Entscheidungen der betroffenen Selbständigen und deren Auftraggeber ein.

Das Handeln der DRB ist mit dem Grundsatz Gesetzesvorbehalts gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. § 31 SGB I unvereinbar.

Die DRB greift tief und – insbesondere bezogen auf die konkreten Auswirkungen auf die betroffenen Selbständigen nachhaltig – in die Schutzbereiche der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und der Selbstbestimmung (Art. 2 GG) ein, wobei gerade die Berufsfreiheit und deren Einschränkung dem Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG unterliegt. Und dies auch dann, wenn „nur“ mittelbare faktische Einschränkungen die Folge sind, eine objektiv berufsregelnde Tendenz zu konstatieren ist.

Hinzu kommt, dass das Vorgehen der Beklagten auch in Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. § 31 SGB I verfassungswidrig ist, da die DRB in ihrer Verwaltungspraxis regelmäßig über die durch ihr eigenes Formular (V027) abgefragten Kriterien hinaus weitere mehr oder minder willkürliche Fragen an die Betroffenen stellt, aus deren Beantwortung sie (fast) immer einseitig zum Ergebnis gelangt, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt.

Diese Einstufung stellt für viele Selbständige ein faktisches Berufsverbot dar, da sich die Alternative einer angestellten Tätigkeit in der Regel nicht stellt, nicht erzwungen werden kann und die meisten Selbständigen dies auch überhaupt nicht wollen! Die Vorgehensweise der DRB führt – hony soi qui mal´y pense(!) – bei potenziellen Auftraggeber zu einer starken Verunsicherung bezüglich der Zusammenarbeit mit Selbstständigen, was in vielen Fällen bedeutet, dass der Selbständige keinen Auftrag mehr erhält. Im Ergebnis erzielt der Selbständige dann keine Einnahmen mehr, sodass auch keine Zahlungen an die Sozialkassen mehr fließen und auch keine Steuern mehr gezahlt werden.

So betrachtet schädigt die DRB durch ihr Verhalten auch den Staat  bzw. die Allgemeinheit und damit letztlich jeden einzelnen Bürger.

Konzertierte Aktion pro Selbständigkeit!

Das Gespenst Scheinselbständigkeit mag für viele (noch) virtuell sein – es ist eine permanente konkrete Bedrohung für alle Selbständigen und deren Auftraggeber.

Daher sollten sich sowohl Selbständige als Auftragnehmer als auch Auftraggeber mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen jeden Versuch wehren, sie in eine „Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Position“ zu definieren bzw. zu zwingen.

Hier könnte beispielsweise eine konzertierte Aktion „pro Selbständigkeit“ oder einem „pro Autonomie“ helfen, die auch deutlich macht, dass es sich hier nicht um eine kleine unbedeutende Splittergruppe handelt, sondern um eine rasant wachsende Gruppe Selbständiger, die an entscheidenden Hebeln der Wirtschaft und Verwaltung tätig sind und ohne deren Wirken bestimmte Aufgaben überhaupt nicht mehr zu bewerkstelligen wären. Selbständige, die sich freiwillig und bewusst für ihre Selbständigkeit entschieden haben, die keinen aufgezwungenen Sozial- oder Rentenversicherungsschutz benötigen und die sich eigentlich nur gerechte, nachvollziehbare und verlässliche Rahmenbedingungen für die Ausübung ihrer selbständigen Tätigkeit wünschen.

So - und ich befürchte, nur so – lässt sich die Abschaffung der Selbständigkeit letztlich verhindern!

© Dr. Grunewald| 13.05.2015

Scheinselbständigkeit: Die neuen geplanten gesetzlichen Kriterien Stein der Weisen oder Sturm im Wasserglas?

- Eine erste Stellungnahme -

Von Rechtsanwalt Dr. Benno Grunewald| Bremen

Der Vorschlag

Nun liegt er also auf dem Tisch: Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 16.11.2015 mit dem eigentlich wenig aufregenden Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“. Deutlich aufregender als der Titel ist für Selbständige und deren Auftraggeber aber der Inhalt dieses Gesetzentwurfs; wobei ich an dieser Stelle nicht auf die geplanten Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, sondern auf die „anderen Gesetze“ und hier speziell auf den neu einzuführenden § 611 a BGB eingehen möchte.

Der Text des neuen § 611 a BGB
Der neue § 611 a BGB soll folgendermaßen gefasst werden:
Vertragstypische Pflichten beim Arbeitsvertrag
(1) Handelt es sich bei den aufgrund eines Vertrages zugesagten Leistungen um Arbeitsleistungen, liegt ein Arbeitsvertrag vor. Arbeitsleistungen erbringt, wer Dienste erbringt und dabei in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt. Wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen, ist für die rechtliche Einordnung des Vertrages die tatsächliche Durchführung maßgebend.
(2) Für die Feststellung, ob jemand in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt, ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Für diese Gesamtbetrachtung ist insbesondere maßgeblich, ob jemand
a.      nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten
oder seinen Arbeitsort zu bestimmen,
b.      die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt,
c.      zur Erbringung der geschuldeten Leistung regelmäßig Mittel eines anderen nutzt,
d.      die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen erbringt, die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind,
e.      ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist,
f.      keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen,
g.      Leistungen erbringt, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind,
h.      für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr leistet.
(3) Das Bestehen eines Arbeitsvertrages wird widerleglich vermutet, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch insoweit das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt hat."

Zurück in die Zukunft?
Dieser Kriterienkatalog erinnert zunächst (fatal) an die ehemals im SGB enthaltenen drei bzw. später fünf - letztlich unpraktikablen - Kriterien, die aber seit über 10 Jahren Geschichte sind. Und auch der geplante Absatz 3, wonach das Ergebnis eines Statusfeststellungsverfahrens bei der Deutschen Rentenversicherung Bund für die Vermutung eines Beschäftigungsverhältnisses spricht, erinnert - zumindest in den Grundzügen - an die ehedem ebenfalls im SGB enthaltene Regelung zur Umkehr der Beweislast bei Vorliegen mehrerer Kriterien.

Meines Erachtens sind besonders zwei sehr widersprüchliche Aspekte dieses Gesetzesvorhabens bemerkenswert:

Sozialrecht ist nicht Arbeitsrecht!
Frau Nahles begründet ihr Gesetz damit, dass durch die vorgeschlagenen Kriterien die „gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung“ umgesetzt werden würde und zitiert in diesem Zusammenhang ausschließlich Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG); und zwar nur Urteile des BAG, die für die ihre Auffassung sprechen. Allerdings ist das BAG ausschließlich für arbeitsrechtliche Streitigkeiten zuständig! Und: Das BAG ist ein Gericht, was bedeutet, dass eine Anwendung des § 611 a BGB nur dann passieren würde, wenn sich der Selbständige mit seinem Auftraggeber einen Rechtsstreit vor Gericht liefert. Dies ist aber aus meiner Erfahrung die absolute Ausnahme, da in der Regel sowohl der Selbständige wie dessen Auftraggeber eben gerade nicht von einem abhängigen, sondern einem freien Vertragsverhältnis ausgehen!

Die Deutsche Rentenversicherung Bund und der § 611 a BGB
Das Interesse festzustellen, dass kein selbständiges, sondern ein sozialversicherungs­pflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, hat in Deutschland nur eine Institution: die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB)! Allerdings sehe ich zurzeit nicht, wie die DRB aus dem geplanten § 611 a BGB Nutzen ziehen kann. Denn die DRB ist auf der Grundlage der Sozialgesetze und der in diesem Zusammenhang entwickelten Recht­sprechung tätig. Und hier ist nicht die Rechtsprechung des BAG, sondern die des Bundessozialgerichts (BSG) relevant! Zwar kann sich die DRB teilweise auch auf Entscheidungen des BAG berufen – einschlägig sind diese jedoch nicht, denn Arbeitsrecht ist nicht gleich Sozialrecht.
Somit kann die DRB meines Erachtens nicht direkt mit der Norm des § 611 a BGB arbeiten, zumal diese ja weder im Arbeits- noch Sozialrecht, sondern im Zivilrecht verankert ist. Zwar könnte man über eine analoge Anwendung dieser zivilrechtlichen Bestim­mung im sozialrechtlichen Bereich nachdenken – einer analogen Anwendung gesetzlicher Vorschriften sind aber schon den Gerichten enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Dies gilt umso mehr für die DRB, die als Verwaltungsbehörde - auch wenn sie dies manchmal offensichtlich anders sieht - nicht über dem Gesetz steht und nach den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht ohne gesetzliche Grundlage tätig werden darf. Eine solche Grundlage stellt der geplante § 611 a BGB für die DRB aber eben gerade nicht dar!

Ein bunter Strauß widersprüchlicher Kriterien
Und schließlich ist festzustellen, dass der § 611 a BGB acht in sich widersprüchliche Merkmale mit zahlreichen auslegungsfähigen unbestimmten Rechsbegriffen enthält. Widersprüchlich ist vor allem, dass die beiden letzten Kriterien g) und h) eindeutig Merkmale eines Werkvertrags sind und insofern der Abgrenzung zum Dienstvertrag dienlich sein können, für eine Differenzierung zwischen Dienst- und Arbeitsvertrag aber überhaupt nichts taugen, da sie bei einem Dienstvertrag ohnehin nicht gegeben sind.

Hinzu kommt, dass bei den sechs anderen Kriterien diverse interpretationsfähige Begriffe verwendet werden: so beim Kriterium unter b) „überwiegend“; beim Kriterium unter c) „regelmäßige Nutzung von Mitteln eines anderen“; beim Kriterium unter d) „von anderen eingesetzte oder beauftragte Personen“; beim Kriterium unter e) „ausschließlich oder überwiegend“ und beim Kriterium unter f) „betriebliche Organisation“.

Allein dadurch würde die Anwendung dieser Norm letztlich wieder bei den Gerichten „landen“ und dort entsprechend ausgelegt werden müssen, wobei – wie bei unbestimmten Rechtsbegriffen naturgegeben – diese Auslegung sicherlich nicht bei jedem Gericht exakt gleich ausfallen wird! Und wenn man in diesem Zusammenhang außerdem bedenkt, dass es in der Begründung zum Gesetz zu dem geplanten Kriterienkatalog heißt „Der Katalog greift die von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien auf, ohne diese abschließend zu benennen“ und zum Kriterium unter b) ausgeführt wird: „Für die Abgrenzung von Arbeitsvertrag und Werkvertrag ist dieses Kriterium allerdings nicht allein ausschlaggebend; denn auch für viele Werkverträge ist es typisch, dass der Auftragnehmer in den Räumen eines anderen tätig wird. Deshalb gilt hier besonders, dass im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung die weiteren Kriterien geprüft werden müssen“, wird deutlich, dass selbst der Gesetzgeber davon ausgeht, dass diese Kriterien nicht abschließend sind.

Der § 611 a BGB vs. § 7 Abs. 1 SGB IV
Und die Verwirrung wird noch größer! So findet sich in der Gesetzesbegründung auch noch die folgende Aussage: „Soweit andere Rechtsvorschriften eine abweichende Definition des Arbeitsvertrages, des Arbeitsverhältnisses oder des Arbeitnehmers vorsehen, um einen engeren oder weiteren Geltungsbereich dieser Rechtsvorschriften festzulegen, bleiben diese unberührt“. Dies bedeutet, dass die Norm des § 7 Abs. 1 SGB IV („Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“) neben der des § 611 a BGB gilt!
Damit aber wäre der § 611 a BGB definitiv im Arbeitsrecht verortet, welches - wie ich oben bereits erwähnte - im Bereich der Scheinselbständigkeit in der Regel keine Rolle spielt.


Arbeitsrecht + Sozialrecht = Schöne neue Welt?
Andererseits versucht Frau Nahles über den geplanten Absatz 3 des § 611 a BGB eine Verknüpfung zwischen Sozialrecht und Arbeitsrecht herzustellen, die meines Erachtens ohnehin nicht zulässig ist. Denn: Das BSG hat schon vor vielen Jahren entschieden, dass die DRB nicht pauschal ein Beschäftigungsverhältnis feststellen darf, sondern die mögliche Versicherungspflicht des Selbständigen in jedem einzelnen Zweig der Sozialversicherung prüfen muss. Und selbst wenn die DRB im Einzelfall eine derartige Versicherungspflicht feststellen würde, ist dies nicht gleichbedeutend mit der Feststellung eines Arbeitsverhältnisses.

Ein (vorläufiges) Fazit zur Zukunft
Was nach vorläufiger Analyse des Gesetzentwurfs zum § 611 a BGB bleibt, sind zunächst Fragen über Fragen, die sowohl die rechtliche, aber auch tatsächliche Anwendung des geplanten § 611 a BGB betreffen. Denn nicht nur die Kriterien, sondern auch deren Begründung sind in höchstem Maße widersprüchlich und interpretationsfähig. Jedenfalls sind hier - wie in der Gesetzesbegründung erwähnt – für die Prüftätigkeit der Behörden(?) „transparente“ und „subsumtionsfähige“ Rechtsnormen nur schwer erkennbar.
Aber vielleicht verfolgt Frau Nahles noch ein ganz anderes Ziel: Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass ein Gesetz vorgeschlagen wird, dass erst in über einem Jahr (am 01.01.2017) in Kraft treten soll. Ich halte es daher nicht für ausgeschlossen, dass beabsichtigt ist, mit der jetzigen Vorlage des Gesetzes zunächst einmal Reaktionen der Betroffenen zu provozieren und dann im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sowohl inhaltliche Änderungen, aber eben auch erweiterte Anwendungsmöglichkeiten für die Deutsche Rentenversicherung Bund zu schaffen. Hier gilt es meines Erachtens sehr genau hinzuschauen, selbst wenn wohl auch für diesen Fall die Aussage Bismarcks gelten dürfte: „Beim Wurstmachen und beim Gesetzemachen darf man nicht hinsehen – es könnte einem schlecht werden“.

Ein (vorläufiges) Fazit zur Gegenwart
Auch wenn die Ziele von Frau Nahles noch in weiterer Ferne liegen – eines hat sie bereits jetzt erreicht: Allein die Vorlage des geplanten § 611 a BGB hat zu einer (weiteren) erheblichen Verunsicherung Selbständiger und deren potentieller Auftraggeber geführt! Zwar trägt dazu bereits seit langem die DRB und deren regelmäßig einseitiges Vorgehen bei, das bei der ganz überwiegenden Anzahl von Prüfungen stets zum Ergebnis führt, dass eine vermeintliche Sozialversicherungspflicht vorliegt. Frau Nahles feuert mit ihrem Gesetzesvorschlag diese Praxis weiter an und ermutigt damit mehr oder weniger direkt die DRB so weiterzumachen um im Wege eines Zangenangriffs - hier die Praxis der DRB und dort der Gesetzgeber mit konkreten Kriterien – die Selbständigkeit letztlich abzuschaffen.
Ist dies die vielleicht eigentliche Intention von Frau Nahles und ihrem geplanten Gesetz? Honi soit qui mal y pense – ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Fortsetzung folgt …

© 30.11.2015| Dr. Grunewald. Bremen| www.dr-grunewald.de

Keine Rentenversicherungspflicht für selbständigen IT-Berater trotz mehrjähriger Tätigkeit für nur einen Auftraggeber Urteil des SG Köln vom 09.10.2015 (rechtskräftig)

von Rechtsanwalt Dr. Benno Grunewald

Prolog

Nach wie vor versucht die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) unnachgiebig, selbständige IT-Berater rentenversicherungspflichtig zu machen. Dazu benutzt sie die von ihr selbst willkürlich ausgedachten Maßstäbe bezüglich Dauer und Umfang der Tätigkeit der Selbständigen für deren Auftraggeber. Aber wie schon so oft in den von mir geführten Verfahren scheiterte die DRB mit dieser ihrer Vorgehensweise erneut vor Gericht.

Der Fall

Der hier von mir vertretene Selbständige ist seit 2003 als selbständiger IT-Berater tätig. Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens im Jahre 2010 prüfte die DRB seine Selbständigkeit und stellte fest, dass er ab dem 01.01.2007 rentenversicherungspflichtig ist, da er nur einen Auftraggeber und keine eigenen Mitarbeiter habe.

Tatsächlich war der IT-Berater von 2007 bis 2009 durchgängig ausschließlich für ein und dieselbe Unternehmensberatung tätig gewesen. Anschließend war er auch für einen anderen Auftraggeber parallel tätig, setzte seine Tätigkeit für seinen ersten Auftraggeber allerdings – wenn auch in geringerem, zum zweiten Auftraggeber jedoch überwiegendem, Umfang – weitere 4 Jahre(!) fort.

Die DRB stufte die Tätigkeit des IT-Beraters von 2007 bis 2014 insgesamt als rentenversicherungspflichtig ein und verlangte von ihm entsprechende Beiträge in Höhe von rund 30.000,00 EUR.

Die DRB begründete dies mit ihrer Auffassung, dass der IT-Berater länger als ein Jahr und zu mehr als 5/6 seiner Einnahmen nur für einen Auftraggeber tätig war und keinen eigenen Arbeitnehmer beschäftigte.

Das SG Köln folgte dem nicht, sondern schloss sich meiner Argumentation an, dass keine Rentenversicherungspflicht besteht. Dabei nimmt das Gericht auch Stellung zu den Fragen der Dauer und der Wesentlichkeit der Tätigkeit sowie der Betrachtungsweise des Zeitraums.

So sieht das SG Köln in der von der DRB erfundenen sogenannten „5/6-Regelung“ nur einen „Orientierungsrahmen“ und stellt in diesem Zusammenhang fest, dass „sich eine mathematisch exakte Bestimmung der Wesentlichkeitsgrenze dem Gesetz nicht entnehmen lässt“. Klar sei lediglich, dass die zu berücksichtigenden Einkünfte des Selbständigen mehr als 50 % ausmachen müssten.

Dies ist aber ziemlich weit weg von dem von der DRB propagierten „5/6-Anteil“!

Weiterhin äußert sich das Gericht zum Aspekt der Dauer der Tätigkeit. Hier verweist das SG Köln vollkommen zu Recht zunächst auf die Begründung des Gesetzgebers.

Dieser hatte 1999 in seiner Begründung zum „Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit“ u. a. ausgeführt, dass neben den zeitlichen auch die wirtschaftlichen Kriterien zu berücksichtigen und auch „branchenspezifische Besonderheiten“ von Bedeutung seien. Weiter führt der Gesetzgeber dazu aus: „Im Übrigen kommt es darauf an, ob der Auftragnehmer nach seinem Unternehmenskonzept die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern anstrebt und dies nach den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten Erfolg verspricht. Dieses Merkmal ist nicht erfüllt, wenn der Auftragnehmer vertraglich zwar für mehrere Auftraggeber tätig sein darf, dies aber nach den tatsächlichen Umständen nicht kann“.

Das SG Köln geht vor diesem Hintergrund trotz der insgesamt fast 6-jährigen Tätigkeit des Selbständigen für einen Auftraggeber nicht von einer Dauerhaftigkeit aus, da es sich stets um zeitlich befristete Einzelverträge mit einer Dauer von 3 bis 6 Monaten handelte und für den Selbständigen nicht erkennbar war, ob und wie lange das Auftragsverhältnis weiterlaufen würde. Das Gericht bezog in diese Bewertung auch insbesondere die Tatsache mit ein, dass der Selbständige belegen konnte, sich stets um andere Auftraggeber bemüht und außerdem Angebote anderer potenzieller Auftraggeber erhalten zu haben.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass das Gericht deutlich macht, dass die Bewertung des Kriteriums „auf Dauer“ nicht mit der Betrachtung eines Zeitraums retrospektiv erfolgen darf, sondern dass auf den Zeitpunkt der Annahme des Auftrags abgestellt werden muss. Sehr zutreffend stellt das SG Köln hierzu fest: „Für die Frage, ob ein Erwerbstätiger als Selbständiger der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt, muss notwendigerweise eine vorausschauende Betrachtung zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit erfolgen, da sich sonst der Betroffene seiner Rentenversicherungspflicht möglicherweise erst Jahre später sicher sein könnte“.

Dieses Urteil des SG Köln macht erneut deutlich, dass der Auffassung der DRB bezüglich der Rentenversicherungspflicht selbständiger IT-Berater jegliche rechtliche Grundlage fehlt. Die von der DRB mehr oder weniger blind(wütig) angewendeten Kriterien „ein Jahr“ und „5/6“ werden von der Rechtsprechung nicht bestätigt. Vielmehr beurteilen die Sozialgerichte vor allem das unternehmerische Auftreten des Selbständigen als erheblich (entscheidungs)relevanter als die starren Maßstäbe der DRB. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass jeweils zeitlich befristete Verträge mit möglichst keiner längeren Laufzeit als ein halbes Jahr geschlossen werden und der selbständige IT-Berater Kontakte zu anderen potenziellen Auftraggebern sucht bzw. unterhält.

Dies sollte jeder Selbständige beachten und daher entsprechend sowohl alle eigenen Aktivitäten als auch an ihn gerichtete Anfragen dokumentieren bzw. speichern, um diese Informationen und Unterlagen erforderlichenfalls vorlegen zu können, um (ungerechtfertigte) Forderungen der DRB besser abwehren zu können.

© Dr. Grunewald| 25.01.2016| www.dr-grunewald.de

Selbstständig oder nicht selbstständig?

Fragen und Antworten zu den neuen Regeln des AÜG und BGB

Was ist neu?

Die am 01.04.2017 in Kraft getretenen Änderungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sowie die Ergänzung der gesetzlichen Bestimmungen zum Arbeitsvertrag (§ 611 a BGB) sorgen nach wie vor für große Verunsicherung.

Welche Effekte haben diese neuen Regelungen?

Die neuen Regelungen erschweren die Arbeitnehmerüberlassung, schaffen neue Pro­bleme in der Auslegung der Vorschriften und bringen durch den Versuch einer Definition des Begriffs „Arbeitsvertrag“ keinen wirklichen Fortschritt.

Was ändert sich im Bereich Scheinselbstständigkeit und Rentenversicherungspflicht?

Nichts!

Warum ändert sich hier nichts?

Die neuen Regelungen sind im AÜG und im BGB angesiedelt. Für den Bereich Scheinselbstständigkeit und Rentenversicherungspflicht ist die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) bzw. deren regionalen Ableger wie z. B. Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg etc. zuständig. Die DRB hat aber weder etwas mit dem AÜG noch mit dem BGB zu tun.

Die Grundlage der Tätigkeit der DRB ist ausschließlich das Sozialrecht und hier speziell das Sozialgesetzbuch (SGB). Und auch der Gesetzgeber selbst hat in seiner Gesetzesbegründung u. a. ausgeführt: „Soweit andere Rechtsvorschriften eine abweichende Definition des Arbeitsvertrages, des Arbeitsverhältnisses oder des Arbeitnehmers vorsehen, um einen engeren oder weiteren Geltungsbereich dieser Rechtsvorschriften festzulegen, bleiben diese unberührt“.

Und eventuelle Rechtsstreitigkeiten zum Status „selbstständig“ oder „nicht selbstständig“ werden vor den Sozialgerichten und eben nicht vor den Arbeitsgerichten ausgetragen. Der Bereich Rentenversicherungspflicht hat ohnehin weder etwas mit der Scheinselbstständigkeit noch dem AÜG zu tun.

Warum meinen aber dennoch viele Selbständige und Unternehmen, sie seien von den neuen Regelungen betroffen?

Dies liegt meines Erachtens vor allem daran, dass das Gesetz unter der Überschrift „Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen und Leiharbeit“ angekündigt worden ist und auch die öffentliche Diskussion stets in diese Rechnung läuft. Aber abgesehen davon, dass die Regelungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erheblich verändert bzw. „entschärft“ worden sind, wird auch heute noch übersehen, dass bislang in den Prüfungsverfahren der DRB sowohl das AÜG als auch das BGB praktisch keine Bedeutung haben!

Warum interessiert die DRB bisher das AÜG nicht und kann sich das nun ändern!

Für die DRB kommt es überhaupt nicht darauf an, ob der Selbständige Arbeitnehmer oder „nur“ sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter ist.

Denn: Ziel der DRB ist es, aus möglichst vielen Selbständigen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte zu machen, damit die DRB dann (maximal für 4 Jahre rückwirkend) die gesamten Sozialversicherungsbeiträge verlangen kann. Diese Forderung stellt die DRB stets an den unmittelbaren Auftraggeber, d. h. den Vertragspartner des Selbständigen. Ist der Selbständige nicht direkt, sondern über einen Dritten, z. B. eine Unternehmensberatung, beauftragt, könnte eine Arbeitnehmerüberlassung gegenüber dem Endkunden vorliegen. Da für die Forderung der DRB aber bereits deren eigenen Feststellung ausreicht, dass Sozialversicherungspflicht vorliegt und damit ein Anspruch gegen den Auftraggeber des Selbständigen gegeben ist, spielt das AÜG in diesem Zusammenhang keine Rolle!

Ist denn ein Scheinselbstständiger nicht das gleiche wie ein Arbeitnehmer?

Nein! Bereits in der gesetzlichen Definition des SGB zur Sozialversicherungspflicht heißt es dazu: „Beschäftigung ist die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“ (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Dies bedeutet nichts anderes, als dass ein Arbeitsverhältnis stets zur Sozialversicherungspflicht führt, eine als sozialversicherungspflichtig eingestufte Tätigkeit aber nicht automatisch ein Arbeitsverhältnis ist!

Außerdem: Der Begriff „scheinselbstständig“ bedeutet nur, dass der sozialrechtliche Status der betreffenden Person unklar ist – letztlich gibt es nur drei Kategorien: Der (echte) Selbständige ohne jegliche Sozialversicherungspflicht, der Selbständige mit (eigener) Rentenversicherungspflicht und der Arbeitnehmer mit voller Sozialversicherungspflicht. Die Bezeichnung scheinselbstständig bezieht sich also nur auf einen vorübergehenden, rechtlich ungeklärten Zeitraum.

Wer entscheidet denn darüber, ob ein Selbstständiger selbstständig oder Arbeitnehmer ist?

Den Status „Arbeitnehmer“ kann nur von einem Arbeitsgericht festgestellt werden. Ein Gericht wird aber nicht von allein tätig – es bedarf eines Klägers. Zieht aber weder der Selbständige noch sein Auftraggeber – und der Endkunde sicherlich ebenfalls nicht – als Kläger vor ein Arbeitsgericht, so wird dies auch insofern kein Problem darstellen.

Aber das Risiko des „Einklagens“ besteht dennoch?

Ja, das ist so. Allerdings bestand dieses Risiko beim Engagement von Selbständigen seit jeher und hat genau genommen nichts mit der Scheinselbständigkeit zu tun.

Ist dieses Risiko durch die neue Regelung zu § 611 a BGB höher geworden?

Meines Erachtens nicht. Der neue § 611 a BGB beinhaltet im Prinzip letztlich die bekannten und in der Praxis seit langem angewandten Kriterien aus der Rechtsprechung des BAG und ist darüber hinaus – wie fast alle gesetzliche Bestimmungen - auslegbar. Es kommt nach wie vor – wie eigentlich immer – auf den jeweiligen Einzelfall an. Auch sind die Hürden bzw. Risiken für den Kläger – der zudem im Arbeitsgerichtsverfahren seine eigenen Kosten stets selbst tragen muss - nicht wirklich niedriger geworden.

Haben denn die neuen Regelungen überhaupt einen Einfluss auf die Situation der Selbständigen und deren Auftraggeber?

Rein rechtlich betrachtet wirken sich die neuen Regelungen definitiv nicht direkt auf Selbständige und deren Auftraggeber bzw. dessen Kunden aus. Allerdings ist ohne Zweifel festzustellen, dass bereits der erste Entwurf des nun verabschiedeten Gesetzes erhebliche Unruhe ausgelöst hat, die auch nach wie vor besteht und sich teilweise sogar noch verstärkt hat. Dafür gibt es bei Licht betrachtet eigentlich keinen Grund.

Aber bei der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat sich doch etwas Grundlegendes geändert, oder?

In der Tat gibt es hier eine gravierende Änderung. In der sehr häufig anzutreffenden Konstellation „Selbständiger – Auftraggeber – Endkunde“ war die Rechtslage bislang so, dass bei einer nachträglich feststellten, Arbeitnehmerüberlassung diese nicht als unerlaubt galt, wenn der Auftraggeber selbst eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besaß. Das BAG hatte in diesem Zusammenhang erst vor kurzen entschieden, dass in einem derartigen Fall kein Vertragsverhältnis zwischen dem Selbständigen und dem Endkunden zustande kommt.

Dies wird durch das neue Gesetz nunmehr geändert: Auch eine vorhandene Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung macht aus einer nachträglich festgestellten unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung keine erlaubte.

Aber: Für eine Arbeitnehmerüberlassung braucht es einen Arbeitnehmer! Das heißt mit anderen Worten, bevor eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung festgestellt werden kann, muss zunächst der Status der betroffenen Person (selbstständig oder Arbeitnehmer?) festgestellt werden.

Hat dies konkrete Konsequenzen für die Beteiligten?

Ja, das hat es. Ist der Status des Selbständigen als Arbeitnehmer festgestellt und liegt eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vor, führt dies einerseits dazu, dass nunmehr zwischen dem Selbständigen/Arbeitnehmer und dem Endkunden, der dann als Arbeitgeber gilt, ein Arbeitsverhältnis zustande kommt.

Somit kommt hier der Endkunde – der in der oben erwähnten „Dreier-Konstellation bislang 100 % geschützt war – mit ins Spiel bzw. ins Risiko.

Dem Auftraggeber und dem Endkunden droht weiterhin eine strafrechtliche Verfolgung, das heißt, es kann ein Ordnungsgeld auferlegt werden bzw. eine Geld- oder sogar Freiheitsstrafe verhängt werden.

Andererseits hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang eine neue Bestimmung, die sogenannte „Festhalteerklärung“, geschaffen, mit der der betroffene Selbständige bzw. Arbeitnehmer erklären kann, dass er kein Vertragsverhältnis zum Endkunden wünscht. Da diese Regelung aber ausgesprochen kompliziert ist, bleibt abzuwarten, ob sie überhaupt praktikabel ist.

Wie hoch ist in diesem Zusammenhang das Risiko einer Bestrafung?

Wie bereits oben ausgeführt, hat die DRB kein Interesse am Thema Arbeitnehmerüberlassung. Der strafrechtliche Aspekt ist nach meine Erfahrung nur dann von Bedeutung, wenn der Zoll in die Prüfung involviert ist, weil dieser seine Prüfungsergebnisse nicht nur an die DRB, sondern auch immer an die Staatsanwaltschaft weiterleitet, die meist zumindest ein Ermittlungsverfahren einleitet. Ob sich dies zu einem „echten“ Strafverfahren auswächst oder mit oder ohne Geldauflage eingestellt wird, hängt vom Einzelfall ab.

Zusammengefasst gefragt: Neue Regelungen – alte Probleme?

Man könnte es in der Tat auf diesen kurzen Nenner bringen. Zwar kann es durch die neuen Regelungen des AÜG zu weiteren Problemen kommen – diese sind aber nicht wirklich neu. Für den Bereich der Abgrenzung selbstständig zu scheinselbstständig und rentenversicherungspflichtig haben die neuen Bestimmungen keine Auswirkung. Hier besteht nach wie vor eine große Grauzone, mit der alle Beteiligten auch zukünftig leben müssen.

Empfehlen Sie also, dass sich alle Selbständigen, Auftraggeber und Endkunden entspannt zurücklehnen und einfach abwarten, was nach dem 01.04.2017 passiert?

Nein, das empfehle ich auch nicht. Meines Erachtens gibt es zwar keinen Grund zur Panik und überstürzten Aktionen. Andererseits sollten alle Beteiligten ihre Situation kritisch überprüfen, sich beraten und die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen ihrer Tätigkeit bzw. Zusammenarbeit gründlich analysieren lassen.

Unternehmen, die Arbeitnehmerüberlassung betreiben, sollen bzw. müssen sich selbstverständlich auf die neuen Bestimmungen einstellen und ihre bisherigen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen möglicherweise ändern bzw. anpassen.

Und bei Unternehmen, die mit Selbständigen zusammenarbeiten stecken nach meiner Erfahrung sowohl in den Verträgen als auch in der Ausgestaltung der Tätigkeit meist erhebliches Potential für Optimierungen, wie zum Beispiel die Umstellung von den „klassischen“ Verträgen auf AGB und Bestellung/Angebot. Auch heute noch beinhalten viele Vereinbarungen mit Selbständigen Formulierungen, die geradezu eine „Steilvorlage“ für die DRB darstellen, um eine Selbstständigkeit anzweifeln zu können. Weiterhin wäre zu prüfen, ob durch die Gründung einer Firma als juristische Person (GmbH oder UG) weitere Risiken verhindert oder zumindest minimiert werden können.

Im Übrigen ist die Auffassung der DRB auch nicht das „letzte Wort“ in einer Auseinandersetzung über die Frage scheinselbstständig oder nicht bzw. rentenversicherungspflichtig oder nicht; jedenfalls hat die DRB in diesem Zusammenhang auch schon zahlreiche Verfahren vor den Sozialgerichten verloren.

Letztlich muss jeder Einzelfall betrachtet werden und letztlich führt nur ein Gesamtpaket aus optimalen vertraglichen Vereinbarungen bzw. AGB/Angebot/Bestellung, die Merkmale der Selbstständigkeit berücksichtigende Umsetzung der Tätigkeit und der Wahl der juristischen Form des Auftragnehmers zu einer optimalen und damit risikoarmen Lösung.

© 10.06.2017| Dr. Grunewald| Bremen| www.dr-grunewald.de

Zum Seitenanfang